Zur Eigentumsfrage
Der Anspruch auf Konfisziertes besteht fort
Lastenausgleich war keine Entschädigung

Es ist still geworden um die Entschädigung des konfiszierten Eigentums in den Heimatgebieten der deutschen Vertriebenen. Viele Anspruchsberechtigte sind verstorben, die rechtmäßigen Erben haben resigniert oder sind ahnungslos hinsichtlich ihrer Ansprüche. Der Bund der Vertriebenen (BdV) hat sich letztmalig 2006 hörbar zu der Problematik geäußert. Bei der Bundesdelegiertenversammlung 2006 wurde dazu eine Resolution verabschiedet. Sie hatte einen Appell an die Bundesregierung und die Nachbarstaaten im Osten zum Inhalt, die offenen Vermögensfragen einer Lösung zuzuführen. Die 2007 gegründete Europäische Union der Flüchtlinge und Vertriebenen (EUFV) hat als Hauptziel die Entschädigung des zurückgelassenen Eigentums im Programm. Abgesehen von den Landsmannschaften Ostpreußen, Schlesien und dem Landesverband Baden-Württemberg der Sudetendeutschen Landsmannschaft wurde und wird die EUFV von allen übrigen deutschen Vertriebenenverbänden nicht unterstützt. Inzwischen haben die Bundeskanzlerin und 2004 auch der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder erklärt, dass sie Entschädigungsforderungen nicht unterstützen werden; ja, sogar darauf hinwirken wollen, dass diese unterbleiben. Dem scheint das BdV-Präsidium Rechnung zu tragen.

Jedenfalls haben alle Bundesregierungen seit 1990 versäumt, die offenen Vermögensfragen einer Lösung zuzuführen. Dabei gab es gute Gelegenheiten, das Problem auf höchster diplomatischer Ebene zu lösen. Bevor Polen Mitglied der EU wurde, hätte man deutscherseits die entsprechenden Verhandlungen führen müssen. 2003 erklärte der damalige polnische Staatspräsident Kwasniewski bei seinem Deutschlandbesuch, dass die Entschädigungsfrage ungelöst sei. Er wisse auch keine Lösung. Mit gutem Willen auf beiden Seiten wäre damals eine Übereinkunft möglich gewesen. Den Enteigneten ist immer klar gewesen, dass eine Lösung der Eigentumsproblematik nur im Rahmen einer humanitären und symbolischen Geste möglich gewesen wäre. Doch noch nicht einmal eine derartige Geste des guten Willens haben die Regierungen zustande gebracht. Die Bundesregierung hat den gebotenen diplomatischen Schutz der eigenen Landeskinder in der Wiedergutmachungsfrage unterlassen. Deshalb hat sie sich nun entschädigungspflichtig gemacht. Diese Auffassung hatte schon 2004 der verstorbene Völkerrechtler Blumenwitz vertreten.

Ein weiterer Aspekt, der diese Auffassung stützt, kommt hinzu. Die Bundesregierung hat im Rahmen des Natobeitritts Deutschlands 1955 den Überleitungsvertrag unterzeichnet. In diesem Vertrag verpflichtet sich die deutsche Regierung, jetzt und zukünftig, keine Entschädigungsansprüche gegenüber den Siegermächten geltend zu machen. Als Siegermächte gelten auch die Vertreiberstaaten. Kanzler Kohl hat diesen Überleitungsvertrag 1990 erneut unterzeichnet. Kohl, dem Wahrheit und Klarheit zweitrangig waren, wenn es ihm opportun erschien, hat den Überleitungsvertrag nicht dem Bundestag zur Genehmigung vorgelegt, sondern in einer kurzen Protokollnotiz die weitere Gültigkeit des Vertrages bekanntgegeben.

Der Bundesvorstand der LO hat nunmehr offiziell klargestellt, dass sich alle Entschädigungsansprüche für das konfiszierte Eigentum in den Heimatgebieten gegen die Bundesregierung richten. Dieser Haltung liegt die richtige Erkenntnis zugrunde, dass die Heimatvertriebenen nun fast 25 Jahre nach der Wende und ebenso langer intensiver Aufbauarbeit in den Ostprovinzen des früheren deutschen Reiches, das stabile Vertrauensverhältnis zwischen der heutigen polnischen und litauischen Mehrheitsbevölkerung und der deutschen Minderheit nicht gefährden wollen. Das Verhältnis zu den Nachbarn im Osten hat sich normalisiert, das soll aus Sicht der Heimatvertriebenen auch so bleiben. Die Entschädigungsansprüche der Vertriebenen wegen ihres konfiszierten Eigentums in Heimatgebieten gegen die Bundesregierung bestehen weiterhin. Der in den 50er und 60er Jahren gezahlte Lastenausgleich war keine Entschädigung. Schon in der Präambel des Lastenausgleichgesetzes wird klargestellt, dass die Leistungen aus diesem Gesetz lediglich ein Ersatz für Nutzungsausfall sind.  -  W. v. Gottberg

Quellen:
Foto: Archivmaterial;
Text:
Preußische Allgemeine Zeitung / Das Ostpreußenblatt, Ausg. 22/13 v. 1.6.2013


Politik hat Interesse an Vertriebenen verloren
Ein Leserbrief von Wilhelm Kreuer, Unkel

In den letzten Ausgaben der PAZ wurde Fehlerhaftes über den Lastenausgleich berichtet. So schrieb Wilhelm v. Gottberg, der Ausgleich sei nur eine Nutzungsentschädigung gewesen. Ein Leserbriefschreiber gab die Ansicht seiner „Fachanwälte“ wieder, wonach das Entschädigungsanliegen durch den Lastenausgleich längst abgeschlossen sei.

Beides ist falsch! Der Lastenausgleich war eindeutig keine Nutzungsentschädigung, denn wäre er eine gewesen, so hätte er mit dem fortdauernden Entzug der Nutzung immer wieder angepasst werden müssen. Doch ganz klar war er auch keine Vollentschädigung. Er war, wie eine weitere Leserbriefschreiberin zutreffend schreibt, „nur ein Tropfen auf den heißen Stein“.

Wie wenigen anderen Gesetzen ist dem Lastenausgleichsgesetz eine Präambel vorangestellt. Nach dieser Präambel bedeuten die Gewährung und die Annahme der Lastenausgleichsleistungen keinen Verzicht auf die Geltendmachung von Ansprüchen auf Rück­gabe des von den Vertriebenen zurückgelassenen Vermögens. Der Vorbehalt beinhaltet, dass weder die Bundesrepublik (durch die Gewährung von Lastenausgleichsleistungen) noch die Vertriebenen (durch die Annahme dieser Leistungen) sich irgendwelcher Rechte begeben, sondern dass das Lastenausgleichsgesetz diese Fragen unberührt lässt. Aus der Sicht der Entstehungsjahre des Lastenausgleichsgesetzes stellt die Präambel ein Bekenntnis zu den Anliegen der Vertriebenen dar und zugleich ein eindeutiges Signal an die Vertreiberstaaten.

Weshalb aber unterstützt die Bundesregierung die Entschädigungsforderungen der Vertriebenen nicht? Sie behauptet, es sei aussichtslos, Restitutions- oder Entschädigungsregelungen ge­genüber den ehemaligen Vertreiberstaaten durchzusetzen. Dass dies unwahr ist, wissen wir. Einige Länder haben in jüngerer Zeit „von sich aus“ Restitutions- und Entschädigungsregelungen erlassen. Es sind dies (beispielhaft) Ungarn, Slowenien, Estland, Kroatien, Serbien. Auch in den 1960er Jahren hat es derartige Regelungen gegeben – in Ländern wie Italien, Ägypten, Äthiopien, Honduras.

Wie viel mehr wäre wohl zu erreichen gewesen (und heute noch zu erreichen!), wenn die Bundesrepublik kraft ihrer wirtschaftlichen Macht den nötigen Druck machen würde? Doch irgendwann haben die politischen Parteien das Interesse an den Vertriebenen verloren.

Alt-Kanzler Helmut Kohl äußerte am Vorabend des Beitritts der DDR gegenüber Michail Gorbatschow, welcher befürchtete, dass die Vertriebenenverbände eine Wiedervereinigung mit den Ostgebieten fordern würden: „Über die Vertriebenen ist die Geschichte hinweggegangen.“ Dies ist mehr als 20 Jahre her. Niemand sollte annehmen, Kanzlerin Angela Merkel würde heute anders denken.

Quellen:
Preußische Allgemeine Zeitung / Das Ostpreußenblatt, Ausg. 27/13 v. 6.7.2013