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Der Krieg, der viele Väter
hatte Eine Neuerscheinung zur Vorgeschichte des Zweiten Weltkriegs Zwei Tage vor Beginn des Zweiten Weltkriegs macht Adolf Hitler Polen einen 16-Punkte-Vorschlag zur Lösung der deutsch-polnischen Probleme. Die Ehefrau des englischen Marineministers Cooper findet diesen deutschen Vorschlag „so vernünftig“, dass ihren Ehemann Entsetzen packt. Die Vorstellung, dass die englische Öffentlichkeit ähnlich positiv auf Hitlers Vorschlag reagieren könnte, veranlasst Cooper, sofort bei der Daily Mail und beim Daily Telegraph anzurufen und die Redaktionen aufzufordern, das deutsche Angebot an Polen in einem möglichst ungünstigen Licht darzustellen. Ein französischer Historiker schreibt dazu: „Hätten das französische und das britische Volk am 30. August von diesem Vorschlag Kenntnis gehabt, so hätten Paris und London kaum den Krieg an Deutschland erklären können, ohne einen Sturm der Entrüstung hervorzurufen, der den Frieden durchgesetzt hätte.“ Mit diesem und einer Reihe ähnlicher Details würzt der Autor Gerd Schultze-Rhonhof seine Beschreibung der Entstehungsgeschichte des Zweiten Weltkriegs an vielen Stellen seines Buchs. Schultze-Rhonhof, Verfasser des Buchs über die Ethik des Soldatenberufs mit dem Titel „Wozu noch tapfer sein?“ stellt die Vorgeschichte des Zweiten Weltkriegs anhand von Akten der betroffenen Außenministerien und von Notizen und Memoiren der beteiligten englischen, französischen, italienischen und amerikanischen Regierungschefs, Minister, Diplomaten und Armeebefehlshaber in einer neuen Sichtweise dar. Der Autor schildert zunächst die Konkurrenzverhältnisse und Differenzen der Staaten in Europa bis 1920, mit denen ein weiterer Weltkrieg bereits erkennbar vorgezeichnet ist. Dann versucht er anhand von Hitlers Reden und Deutschlands eiliger Wiederaufrüstung bis 1939 festzustellen, was die Menschen damals vom nahenden Verderben hätten merken müssen. Sowohl bei der Analyse der vielen Hitler-Reden als auch beim Vergleichen der Aufrüstung der Staaten in Europa und der USA kommt er zu verblüffenden Ergebnissen. Wenn viele der hier aufgezählten Fakten für deutsche Leser ungewöhnlich klingen, mag das daran liegen, dass sich die deutschsprachige Historiographie mit dem Rüstungsgebaren anderer Staaten höchst selten auseinandersetzt. Die schiefe Ebene, auf der sich die Deutschen von 1933 an auf den Krieg zubewegen, wird ausführlich als „Die Zeit der Anschlüsse“ behandelt. Der Autor stellt hier schlüssig dar, dass die in Versailles geschaffene Nachkriegsordnung nicht auf Dauer haltbar war und dass es die Sieger von 1918 selber waren, die Hitler hier die Themen und die Chancen vorgegeben haben. Schultze-Rhonhof lässt hierzu, wie an vielen Stellen seines Buchs, die handelnden Personen selber sprechen. Er zitiert den englischen Botschafter Henderson in Berlin: „Die Nachkriegserfahrung hat Nazi-Deutschland unglücklicherweise gelehrt, dass man ohne Gewalt oder Androhung von Gewalt nichts erreichen kann.“ Das Buch gipfelt in der Darstellung der unmittelbaren Vorgeschichte des Kriegs, mit dem das Deutsche Reich und die Sowjetunion die Republik Polen überziehen. Der Autor wählt dazu die etwas unübliche Methode, die verschiedenen Einflussnahmen der Engländer, Franzosen, Amerikaner, Polen und Russen nach Ländern getrennt und nicht in einer zeitlich durchgehenden Abhandlung zu schildern. Das lässt Zusammenhänge klar erscheinen, aber es führt naturgemäß zu Wiederholungen. Der Autor weist auf diesen Umstand schon selber in seinem Vorwort hin, indem er dazu schreibt: „Das mag den einen Leser stören, dem anderen ist es vielleicht eine willkommene Gedächtnisstütze bei der großen Zahl der beschriebenen Ereignisse“ Der Leser wird sich fragen, warum dieses so oft bearbeitete Thema wieder aufgegriffen wird. Die Antwort darauf scheint ebenfalls im Vorwort durch. Es ist offensichtlich die Absicht des Autors, die Geschichte, die zum Zweiten Weltkrieg führt, in begreifbare Zusammenhänge zu stellen und dabei die auf sich selbst bezogene Sicht der Deutschen für die Vergangenheit zu einer offeneren Perspektive zu erweitern. Dazu hat der Autor die zeitgleiche Geschichte der deutschen Nachbarstaaten, sowie Japans, Amerikas und Italiens miteinbezogen. Das Ergebnis der Untersuchung ist, dass der Zweite Weltkrieg zwar von Hitler begonnen, jedoch von Staatsmännern aus England, Frankreich und Amerika „angezettelt“ worden ist. Eine weitere Absicht des Autors ist erklärtermaßen, die Vorkriegsvergangenheit Europas für ein jüngeres Lesepublikum neu zu erzählen. Es ist zweifellos ein Verdienst des Autors, dass er hier Geschichte gut erzählt hat. Das Buch ist mit einigen Dokumentarfotos zum Geschehen der beschriebenen Zeit nur sparsam bebildert, jedoch mit fast 40 Kartenskizzen hilfreich illustriert. Getreu der Weisheit, dass die Geschichte eine Tochter der Geographie ist, hat der Autor die zum Verständnis der geschilderten Vorgänge nötigen Karten in den Text eingefügt. Auch wenn das Buch keine wirklich neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse offenlegt, so hat es doch mit zahlreichen Belegen aus staatlich-amtlichen Dokumenten sehr interessante Zusammenhänge zutage gefördert, die so bisher noch nicht beschrieben worden sind. Die Auswertung von Quellen ist allerdings sehr England-lastig, was vermutlich auf die Sprachkenntnisse des Autors zurückzuführen ist. Bemerkenswert ist dennoch, dass ein Drittel der angeführten Quellen aus dem Ausland stammen. Das Buch gesteht allen am Geschehen
beteiligten Nationen ihre eigene Sicht der Dinge zu und bringt sie auch zum
Ausdruck. Es legt dabei in einer heute sonst gescheuten Weise die Sicht der
Deutschen aus der Perspektive des Jahres 1939 offen.
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