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Vortrag: Hindenburg

  

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Paul von Hindenburg
Militär und Politiker, der Retter Ostpreußens

Vortrag von Volker Schmidt

Paul von Hindenburg wurde schon zu Lebzeiten zu einem Mythos. Für knapp 2 Jahrzehnte; dann begann mit höchster Ehrung seine Verdrängung. Heute ist das Andenken an den Retter Ostpreußens, so wurde er gesehen, verblaßt und wurde seit Ende des 2. Weltkrieges stark demontiert, herabgewürdigt und schlicht verkannt.  Erst jüngst wandelte sich dieser Blick. Bei Siedler legte Wolfram Pyta eine Biographie zu Paul v. Hindenburg vor und leistete dabei einen jetzt anerkannten Ansatz zur Revision der alten Sicht auf einen senilen Steigbügelhalter Hitlers.

Hindenburg, Herrschaft zwischen Hohenzollern und Hitler, nennt Pyta die Biographie.  Dabei greift dieser Titel zu kurz und ist daher falsch. Er nährt das gängige Vorurteil, Hindenburg sei ein Zwischenglied von Kaiserreich und NS- Herrschaft gewesen. Es führt aber keine Linie von der Herrschaft von Wilhelm I zu Hitler. Die Entstehung des nationalsozialistischen Gedankenpools liegt natürlich im 19. Jahrhundert, aber sie kommt nicht aus der Hohenzollernherrschaft oder dem politischen Establishment der Zeit, sondern der Bildungsklase, der Wihelm II politisch effiziente Mitgestaltung vorenthielt.

Wie nähert man sich Paul von Hindenburg und Beneckendorff? Sein wesentlicher Faktor zu seinen politischen Entscheidungen ist sein Lebensalter. Alter ist politischer Faktor: Es entscheiden oft ganz wenige Jahre, die zur Generation werden. Wer 1952 geboren wurde und Abitur hat, ist noch echter 68er, hat APO- Stallgeruch und ist die deutliche Nachkriegsgeneration, wer 1957 geboren wurde, ist längst nicht mehr 68er, sondern ist Träger der Bewegungs- Generation: AntiAtomkraft, Startbahn West, dann der Gender – Emanzipation.

 

Das ist für uns nachvollziehbar und lassen wir das direkt auf Hindenburg übertragen.  Wenn wir die ganze Persönlichkeit Hindenburgs erfassen wollen, müssen wir uns das vergegenwärtigen. Und noch etwas ist im Werdegang und mehr für Hindenburgs Bewußtsein entscheidend: Herkunft, Soziale Stellung, ökonomische Bedingungen. 

1847, am 2. Oktober wurde Paul von Beneckendorff und von Hindenburg als Sohn des preußischen Offiziers und Gutsbesitzers Robert von Beneckendorff und von Hindenburg und der Arzttochter Luise (geb. Schwickart) in Posen geboren. Robert v. Hindenburg war damals Leutnant. Seine Familie in Neudeck/Westpreußen -  vulgo gesprochen – verkracht. Die Militärarztfamilie Schwickart waren ebenso wenig wirklich begütert. Ein Leutnant mit Familie in der Garnisons- und Verwaltungsstadt Posen war arm, wenn private Zuwendungen fehlten. Uradelige Herkunft kauft man 1850 auch in Uniform keine Braten, keinen Rheinwein oder Champagner ohne gutes Geld. Paul von Hindenburg wurde in recht arme Verhältnisse von Stand geboren.

1859: Wenn die Biographie dann schreibt, nach nur einem kurzen Besuch des Gymnasiums wechselt Hindenburg 1859 zur Kadettenanstalt in Wahlstatt (Kr. Liegnitz) und 1863 nach Berlin, dann war das für die Familie sicher eine starke wirtschaftliche Entlastung, mußten doch zwei weitere Kinder anständig versorgt werden. Hindenburg erhielt also keine universitätsorientierte Gymnasialausbildung, sondern die eines Realgymnasiasten, bestimmt für Genieberufe und somit eine optimale Grundlage für einen angehenden Heeresoffizier. 1863 kam er bereits in die

Hauptkadettenanstalt nach Berlin. Hier ist er aber nicht der schneidige, seinen beginnenden Status herauskehrende Kadett, er sucht für einen Militär nützliche Bildung. Kunst und Theater sind ihm fremd und bleiben es im Grunde sein Leben lang, aber er nimmt an der Geschichtswissenschaft, an Ökonomie und den beginnenden Sozialwissenschaften Anteil, er hört an der Universität bei u.a. Treitschke. Das prägt ihn im folgenden. Er wird kein Akademiker, aber er bildet sich akademisch.   

Und machen wir uns klar: Hindenburg wurde noch vor der 1848er Revolution geboren, er war Kadett im Krieg des Deutschen Bundes gegen Dänemark und hat damit als ganz junger Offiziersanwärter noch den Hauch des Alten Reiches in seiner Post- Verfassung erfahren. Noch war die Wiederherstellung des Römischen Reiches

nicht völlig aufgegeben, war eine Rechtsoption und nationalliberales Staatsziel. So wurde der Krieg 1864 rechtlich korrekt gesehen. Dänemark wollte eine Reichsprovinz herausbrechen, resp. ihr Recht schmälern. Für unsere Betrachtung heißt das, Paul v. Hindenburg erhielt noch eine Vorprägung zum alten Römischen reich, nicht gleich zum 2. Deutschen Kaiserreich. Sein König war 1797 geboren, Sohn von Friedrich Wilhelm III und König Louise. Also: Hindenburg folgte einem König in jungen Kadettenjahren, der damals bereits gemäß den Umständen alt war. Das wird heute sehr leicht übersehen.

1866: Bei seiner Teilnahme an der Schlacht von Königgrätz. Hindenburg war ganz junger Karriere- Leutnant mit kaum 19  Jahren. Hier erlebte er das politische Trauma des

Zerfalls einer alten kaiserlichen Ordnung. Wir waren jüngst in Putbus, dem Ort, wo gleich in Anschluß hieran Bismarck sich zurück zog,  um eine Verfassung des Norddeutschen Bundes zu  erarbeiten. Und zum ersten Mal erlebte Hindenburg unmittelbare Todesgefahr; ihn traf eine Kugel ganz knapp längs dem Kopf. Es wird berichtet, daß Hindenburg völlig ruhig weiter kämpfte. Was als Deuteankedote  auf einen künftig großen Mann abgetan werden könnte, geht hier tiefer: In Gefahr hielt Hindenburg Ruhe bis zum Phlegma. Nennen wir es stoisch. So blieb er in seinem ganzen Leben sachbezogen und pragmatisch – in kolossalen Zeiten und in Zeiten höchsten Aufruhrs und Gefahr. Und Hindenburg verfällt nicht in Borussiamanie, seine Berliner privaten Zweitstudienzeit hat ihm den Sinn geöffnet für das nun keimende andere, das preußenbestimmte, aber größere neue Deutsche Reich. Mit dem Sieg Preußens über das längst tote Reich, den Deutschen Bund, geht auch Hannover als eigener Staat unter. Hindenburg wird nach Hannover versetzt, findet dort schnell sich ein und knüpft zarte Bande, verlobt sich 1870 mit Irmentraud von Rappard. Doch seine Braut erkrankt unheilbar und verstirbt im April 1871.       

1870 / 1871: Im Deutsch-Französischen Krieg nimmt er als junger Leutnant an der Schlacht von St. Privat teil, erlebt den hohen Verlust seiner Einheit und ist auf seine ruhige Art entsetzt. Aber auch hier bewahrte er Gleichmut, die ihn selbst erstaunte und zwei Wochen später ist er beim Triumph von Sedan dabei. Seine Belohnung für seine militärische Leistung war groß: Er war für sein Gardekorps der Vertreter am 18. Januar 1871 im Spiegelsaal von Versailles.  

1871 / 1910: Jetzt beginnt die Militärlaufbahn. Für die Aufnahme an die Kriegsakademie verfaßt er eine satte Abhandlung über den Aufstieg der Niederlande zur Großmacht 559 und über deren Machterhalt bis zum Spanischen Erbfolgekrieg. Das ist kein Thema für einen Militär, der nur an Jahreszahlen von Schlacht zu Schlacht hangelt.

Also:  Auch hier hat Paul von Hindenburg den sicheren Karriereblick. Ohne Zögern wechselt er immer wieder Kommandos, verläßt den basismilitärischen Dienst zugunsten von Tätigkeit an der Kriegsakademie, tariert hier genau aus, ist immer wieder zur rechten Zeit am richtigen Ort. Ganz unverblümt: Hindenburg ist ein Karriereoffizier. 1878 ist er als Hauptmann in Stettin. Dort lernt er die Tochter des früh verstorbenen Generals v. Sperling kennen und heiratete sie bald. 1880 wurde die Tochter Irmentraud geboren, 1883 Sohn Oskar und Tochter Annemarie 1891. Es wurde eine glückliche Ehe – eine Karriereförderung war sie nicht.

Pyta überschreibt diese Zeit mit „Eine mehr als respektable Offizierskarriere“. Diese erarbeitet sich Hindenburg mit Fleiß, fundierter Arbeit und hohem Verstand in der Sache und gegen das Hindernis, gesellschaftliche Normen und Gepflogenheiten nicht zu bedienen- kein Theater, kein Konzert, keine Gesellschaften, keine Affairen.

Hindenburg lebt privat im Glück und findet Trost und Stärke im beinhart lutherischen Glauben. Das wir gemeinhin übersehen. Hier liegt jedoch ein wichtiges Moment für die Zeit, mit er bis heute unglücklich verbunden wird: 1933/1934.  

Er machte abseits vom Glanz der höfischen Gesellschaft seinen Weg in der Heeresverwaltung. Dazu nahm er als Lehrer für Taktik eine Dozentur an der Heeresakademie an. Dann hatte er Kommandos in Oldenburg und Karlsruhe und dann ab 1903 im Rang eines Kommandierenden Generals in Magdeburg. Er nimmt 1911 Abschied aus dem Militärdienst. Freiwillig und mit Ambitionen bittet er mit 64 um Demission; er wurde in den Ruhestand versetzt. Das war wahrscheinlich eine auch Retourkutsche für die politischen Interventionen Hindenburgs und für die Gattinnenaffaire um den Oberpräsidenten der Provinz Sachsen, v. Wilmowski. Hier hatte Hindenburg bis zum Wilhelm II auf Ablösung gedrungen und sich durchgesetzt. Hindenburg wurden Wertschätzungen zu Teil bis zum Schwarzen Adler – Orden und Jagdeinladungen, aber militärisch tat sich eben nichts Entscheidendes mehr. Er beerbte genau nicht den sehr alten General v. Schlieffen. Dessen Nachfolge trat

v. Moltke an. Andere Generalskollegen, gleich alt oder sogar etwas älter blieben im Amt; Hindenburg wurde nicht in den Rang eines Armeeinspekteurs berufen.

Er privatisiert in Hannover führt sein Familienleben in Beschaulichkeit und ist mit seinem Privatleben eins. Außer einer Italienreise unternimmt er keine Reisen, sie interessieren ihn nicht, ebenso wenig wie die Kultur und gesellschaftliches Leben. Hindenburg ist ganz Familienmensch, besucht seine Töchter, lebt in Hannover in einer großzügigen Etage, aber in einer Etage. Er geht nicht nach Neudeck, aber das war auch noch nicht das alte Gut. Wir erinnern, seine Eltern waren in Neudeck verkracht, die Familie seiner Mutter solide, aber bürgerlich ausgestattet. Und Hannover war dem General seit jungen Offiziersjahren stets freundlich gewesen.

August 1914: Hindenburg ist seit drei Jahren im Ruhestand. Sein Gesuch auf Ausscheiden war ohne Regung angenommen worden. Er war nicht einmal auf der ehrenden Ersatzreserveliste. Unter dem gesellschaftlichem Blick: Hindenburg war mausetot. Er hatte sich nie um Gesellschaft und Hof bemüht, die Gesellschaft ließ ihn das nun bitter spüren.

Am 1. August bricht der Krieg aus. Nichts passiert, kein Notanruf, keine Depesche mit der er angefordert wird. Erst auf sein Drängen und Bedrängen alter Freunde und Kameraden wird Hindenburg am 21. August, drei Wochen nach Beginn des Ersten Weltkrieg reaktiviert und übernimmt die 8. Armee als Oberbefehlshaber mit Erich Ludendorff als Chef des Stabes - mit Ludendorff. Und auch das hatte seinen Grund nicht bei ihm selbst : Ludendorff ist zu jung ( * 1865) für diesen Posten allein, v. Moltke will ihn aber haben, Moltke protegiert den schneidigen Ludendorff. Ludendorf war zudem seit zwei Wochen der Held von Lüttich. Da muß Seniorität her. Und die gibt Hindenburg. Er ist bis auf wenige Wochen 67 Jahre. Vorgesehen für eine echte militärische Aufgabe war v. Hindenburg nicht. Er war ein Schmuckelement – selbst in höchster Not:
 

Ostpreußen war zu Kriegsbeginn nur durch die 8. Armee geschützt. Alles blickte nach Westen, wie im Schlieffen- Plan vorgesehen. Rußland halt als viel zu schwerfällig, um gleich gefährlich zu werden..

Die Oberste Heeresleitung (OHL) wurde kalt erwischt.  Bereits Mitte August 1914 begannen noch vor Abschluß ihrer vollen Mobilmachung die 1. russische Armee (Njemen-Armee) und die 2. russische Armee (Narew-Armee) in Ostpreußen eingerückt, um die 8. deutsche Armee zu umfassen.

Zur Abwehr dieser Bedrohung griff die 8. Armee unter Führung von Generaloberst Max von Prittwitz (1848-1917) die Njemen-Armee an, erlitt jedoch in der Schlacht von Gumbinnen am 19./20. August 1914 unter hohen Verlusten eine Niederlage. Um einer Einkesselung durch die von Südosten näherrückende Narew-Armee zu entgehen, befahl Prittwitz den Rückzug hinter die Weichsel. Ostpreußen war damit militärisch aufgegeben. In zum Teil panikartiger Flucht suchte sich die Bevölkerung vor den Übergriffen der Russen zu retten. Der Rückzugsbefehl von Prittwitz' wurde in der OHL zurückgepfiffen und führte am 22. August zur vollständigen Abberufung von General v. Prittwitz. Nachfolger wurde sofort der neue Held  Erich Ludendorff  als Stabschef unter dem aus dem Ruhestand reaktivierten Paul v. Hindnburg. Beide eilten schnellsten an die Ostpreußenfront.

Ob es Hindenburg in dieser Situation Genugtuung war, ist nicht festzustellen. Er nutzt aber diesen GAU zu seiner militärisch- politischen Rückkehr. Wer war nun General v. Prittwitz und Gaffron? Genau ein alter Stachel im Seelenherz von Hindenburg:

Max(imilian) Wilhelm Gustav Moritz von Prittwitz und Gaffron war ein Jahr jünger als Hindenburg, am 27. November 1848 in Bernstadt, Landkreis Oels, Niederschlesien; geboren. Er starb am 29. März 1917 in Berlin) an Herzversagen .  Als königlich -preußischer Generaloberst à la suite  diente er zuletzt Oberbefehlshaber der 8. Armee. Er war seit 1910 Mitglied des Preußischen Herrenhauses und Rechtsritter des Johanniterordens. Also genau ein Vertreter der Militärklasse der Hindenburg sich verschlossen hatte und die er spätestens seit der Wilmowski- Affaire verachtete und für ein künftiges Unglück hielt. Hindenburg entwickelt Bismarcksche Züge einer konservativen Erneuerung. Doch dazu fehlt ihm das Dandy- Format zum Erfolg.   

Nach der verlorenen Schlacht von Gumbinnen und dem Rückzug der 8. deutschen Armee war die Lage an der Ostfront für die deutsche Oberste Heeresleitung mehr als äußerst prekär. Man sah den Weg nach Berlin frei. Dabei war unter militärischen Gesichtspunkten es richtig gewesen, die Memel- Armee bei Gumbinnen zu stellen. Beide Armeen getrennt angreifen war in der Situation richtig. Und nach dem Scheitern war auch die Weichsellinie zu suchen militärisch richtig und dabei das falsche Signal an die Bevölkerung im Reich: Die Blitzniederlage! 

Verstärkungen wurde von der Westfront abgezogen. Unter dem neuen Oberbefehl von Paul von Hindenburg und Erich Ludendorff wurde die 150.000 Mann starke Armee neu formiert und ging trotz zahlenmäßiger Unterlegenheit wieder in die Offensive. Sie richtete ihren Vorstoß auf die 2. russische Armee (Narew-Armee) bei Allenstein (heute: Olsztyn, Polen). Den deutschen Truppen gelang zwischen dem 26. und 31. August 1914 die Einkreisung der Narew-Armee.  Hindenburg ergriff kühl die Initiative, eigentlich spielte er Vabanque – und hatte Glück!

Die 1. russische Armee (Njemen-Armee) lag im Norden nur einen Tagesmarsch entfernt,. Die deutschen Funker hatten jedoch den russischen Funkverkehr dechiffriert.  Hindenburg kannte daher die Operationspläne des Gegners und stellte als Sicherung nur eine Kavalleriedivision auf. Die deutsche Artillerie war weit der russischen überlegen, denn die russischen Armee war übereilt noch vor Abschluß ihrer vollen Mobilmachung auf Drängen der westlichen Entente-Staaten in Marsch auf Ostpreußen geschickt worden.

Der überragende Sieg über die Narew-Armee und die Gefangennahme von 92.000 Russen und über 300 Geschütze als Beute wurde in der deutschen Öffentlichkeit als Gegenerfolg zum Debakel der Marne- Schlacht begeistert aufgenommen. Eine Abhängigkeit wurde nicht gesehen oder gar diskutiert. Sie ist in den Jahrzehnten danach immer wieder aufgeworfen worden, wird bis heute fruchtlos diskutiert. Fruchtlos, denn sie ist nicht beweisbar, die Geschichte ist unumkehrbar. Und noch etwas, was immer Nachkartmilitärs konstruieren, Hindenburg entschied hier nicht als Geniegeneral, sondern als politisch denkender Militär: Es gab keine Wahl.

Dieser erste Sieg beseitigte die Bedrohung nicht. Und die Marneschlacht vom 4. bis 9. September stärkte das Siegesbewußtsein nicht. Die gefühlte Gefahr war vielleicht sogar größer als die reale. Letztlich war die  Marne- Schlacht nicht verloren worden, sondern verloren gegeben worden. Das aber übersteigt unsere hier gestellte Aufgabe. Wenn man es denn angesichts der Katastrophe so nennen will: Hindenburg profitiert aus der Marne- schlacht mit höchster Reputation; die Hofeliten versagten. Das formt den Mythos Hindenburg: Ein längst zum Pensionär mit Dackel und Enkelkindern abgeschriebener Tintenpissergeneral erwächst zum Retter aus höchster Not. Das ist blanke Genugtuung und Hindenburg schlägt daraus  gleich sein militärpolitisches Kapital. Nach dem kurz darauf erfolgten Sieg bei den Masurischen Seen  14. und 15. September und dann in der Winterschlacht im östlichsten Teil Masurens und weiter nach Osten  mit dem Sieg am 22. Februar entstand um Hindenburg ein ausgeprägter Kult. Hindenburg  als "Held von Tannenberg". Das war bei den Mißerfolgen und dem Debakel an der Westfront ein Motivationsmoment. Nach dem verlorenen Krieg wurde dieser Sieg als nationaler Anker inszeniert und er erhielt  1927 mit dem Tannenberg-Denkmal einen Gedächtnisort.

1915: Es geht heute nicht darum Hindenburgs energisches und konfliktreiches Wirken im Krieg 1915 nachzuzeichnen. Er war nach Kaunas verbannt worden, von der Aufgabe her anspruchsvoll und ehrenvoll. aber eben abgeschoben.  Hindenburg war kein Freund des vor Verdun sehr glücklosen und hinter der Front leicht liederlichen Kronprinzen.  Mehr belastete Hindenburg noch sein deutlicher Konkurrenzstreit mit dem General v. Falkenhayn, der seine Macht nutzte, Hindenburg von Presse und Öffentlichkeit abzuschirmen. Ich breche hier ab, empfehle ihnen hierzu den „Pyta“. Fast verliebt in das Erzählgenre berichtet er von Hindenburgs Ostpreußen- und Litauentagen.  Dabei schildert er auch wie Hindenburg die Leselust im Felde förderte, intellektuell im Felde forderte, an der „Heimatfront“ konservative bürgerliche Kreise für sich gewann und wie der Amusische die Kunst im Felde als Propagandamittel eiskalt nutzt. Auch für die Wirtschaft wird er immer interessanter. Selbst Walter Rathenau und Hugo Stinnes reisen beschwerlich zu ihm an die Front. Falkenhayns Isolierabsicht war erfolglos. Hindenburg wurde immer politischer. Er hat die Sicht eines Bismarcks, aber immer wieder scheitert er am Mangel, das Erreichte in der Gesellschaft zu verfestigen.

1916: Hindenburg hat ein weiteres Ziel erreicht: Am 29. August ist Erich v. Falkenhayn entlassen, Bethmann Hollweg hat die Kärrnerarbeit dazu geleistet. Hindenburg übernimmt die OHL. Ludendorff bekommt den Posten des Ersten Generalquartiermeisters. Die beiden verstehen sich,  sind in der nationalen Propaganda die deutschen Dioskuren. Noch traut sich Hindenburg an seinen „Spezi“ den Kronprinzen nicht ran. Deshalb geht es nun auf nächst höherer Ebene weiter: 1917 wird er erst einmal Motor zum Sturz von Bethmann- Hollweg. Er zwingt den Kaiser wenig subtil, seinen Kanzler zu entlassen.    

1918: 1918 ist eigentlich Schlüsseljahr des Politikers Hindenburg. Hier wird aus dem  Militär ein Politiker im Waffenrock. So bricht Hindenburg mit Ludendorff, der den politischen Aspekt verweigert. Beide hatten als Militärs den Kaiser hart attakiert; Ludendorff wurde seinesKommanods enthoben und auch Hindenburg drohte diese Disziplinierung. aber er konnte sich deutlich als künftig politisch unentbehrlich positionieren. das empfand Ludendorff nicht ohne Grund als Treuebruch am

26. Septrember 1918. Wenige Tage später ist es Hindenburg, der für das Militär am 29. September den Waffenstillstand fordert. Zusammen mit Wilhelm Groener, der für Ludendorff nachrückte, war Hindenburg sicher, daß es für diese Monarchie keine Rettung gibt. Denn selbst die Offiziere sind im Kern nicht mehr dem Kaiser loyal. Pym schildert das ganze Drama der Auflösung dieses alten Zirkels ausführlich und zentral. Denn nach dem Scheitern bei Amiens sind Waffenstillstandsverhandlungen der einzige Ausweg. Österreich bröckelt ebenfalls am 29. September. Es ist nur noch eine Frage der Zeit. Wilson fordert nach Einstellung des Uneingeschränkten U- Bootkrieges eine parlamentarische Regierung und deutet auf das Dulden einer Parlamentarischen Monarchie. Seit dem 3. Oktober ist Prinz Max v. Baden Kanzler. Er löste Graf Hertling ab, der seit Ende 1917 im Amt war. Im deutsch-amerikanischen Notenwechsel zur Beendigung des Ersten Weltkrieges machte die amerikanische Regierung klar, daß Deutschland nur bei einem Thronverzicht des "monarchistischen Autokraten" Wilhelm II erträgliche Waffenstillstandsbedingungen erwarten könne.

Alles war nun Taktik, den Kaiser zur Abdankung zu bewegen, eine Verfassungsreform einzuleiten. aber das kam nicht zustande; es war einfach dafür kein Raum. Und die Kriegsparteien waren auch längst nicht mehr geordnet. Hindenburg rettete, was noch zu retten war. Am 8. November leitete man die Aufgabe des Kaisers ein. Er stimmte am 9. November seiner Abdankung zu und verließ am 10. November Deutschland nach Holland.. Wilhelm hatte gehofft, er könne selbst seine Truppen ins Reich zurück führen, aber Hindenburg deutete ihm, er könne mitziehen – die Truppen führen werde er und die Generale sonst. Das war ein Militärstaatsstreich der sanften Art.  Am 9. November ist es  Hindenburg der Wilhelm II. zur Abreise nach Holland zwingt, um 23.00 uhr endlich den Willen des Kaisers beugt, der früh am 10 November abreist. Gleich am 10. November drängt Hindenburg auf den  Waffenstillstandsvertrags, der dann am 11. November erfolgte. Es war ein rabenschwarzer Tag, aber für Hindenburg keine ihn persönlich aus der Bahn werfende Niederlage. Er hatte mit der Monarchie in ihrer Form unter Wilhelm II abgeschlossen. Für ihn war die eigentliche Sorge das Militär unter einander.

Hindenburg war es gelungen, einen Truppenkrieg zu verhindern. Meuternde und kaiserergebe Truppen hätten das Reich von der Niederlage in den Bürgerkrieg getrieben. Verkennen wir nicht: Die Oktoberrevolution war noch im vollen Gange, in Österreich ging es drunter und drüber. 

Wilhelm II. wollte allerdings nur als Kaiser abzudanken, aber preußischer König  bleiben. Die revolutionäre Situation im ganzen Reich machte das aber unmöglich. So erklärte Reichskanzler Prinz Max v. Baden am 9. November ohne vorherige Rücksprache mit Wilhelm II. dessen Thronverzicht und ernannte - ohne über die dafür notwendigen verfassungsmäßigen Kompetenzen zu verfügen – Friedrich Ebert als Führer der stärksten Reichstagspartei zum neuen Reichskanzler. Obwohl auch Ebert die Monarchie mit Hilfe einer Regentschaft zunächst erhalten wollte, brach das monarchische System in allen deutschen Staaten nach dem enttäuschenden Kriegsausgang zusammen. Die Schilderung der Abläufe überfordert diesen Vortrag wieder. Zu Hindenburg: Auch in dieser wichtigen bitteren stnde hält er klare Sicht und eleminiert seinen bittersten feind, den Kronprinzen. Er entreißt ihm das Kommando über das  Kronprinzenregiment. Damit ist auch derletzte Halt von Manarchie weggewischt. 

Am 11. November, dem Tag der Unterzeichnung des Waffenstillstands, ging Wilhelm II. ins Exil in die Niederlande. Erst am 28. November fertigte er eine offizielle Abdankungsurkunde aus. Er verzichtete darin auf die Kaiserwürde und legte auch die preußische Krone nieder. Gleichzeitig entband er die Angehörigen des Heers und die Beamten von dem ihm geleisteten Treueid und forderte sie auf, die neuen Inhaber der politischen Macht bei der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und der Sicherstellung der Versorgung mit Lebensmitteln zu unterstützen. Am 1. Dezember erklärte auch Kronprinz Wilhelm den doppelten Thronverzicht.

Hinden burg weiß, jetzt kommt es auf ihn an. Er stellt sich der provisorischen Regierung des Rats der Volksbeauftragten zur Verfügung, um die revolutionären Unruhen zu bekämpfen und die Fronttruppen in die Heimat zurückzuführen. Denn er muß mit der neuen Regierung übereinkommen, daß dafür die Grundlage ist, den Heimkehrern nicht jede Perspektive und Ehre zu nehmen.

1919: So kreierte er das, was ihm von den Nachgeborenen als Keim des Verderbens vorgeworfen wird, die Dolchstoßlegende. Schon Mitte November lautet die Parole: Im Felde unbesiegt. Schon im Dezember wurde die These aufgestellt, der Sieg Deutschlands sei 1918 zwar in weite Ferne gerückt, aber der Dolchstoß sei von innen gekommen. Da das  über die Neue Zürcher Zeitung verbreitet wurde, fand diese These gläubige Zustimmung. Hindenburg, Ludendorff und der unglückliche Kanzler Helfferich unterstützten diese Sicht eifrig. So wurde Hindenburg zur Vatergestalt der im Werden begriffenen Republik, war unbeschädigtes Glied in die Kaiserzeit und Symbol des Anständigen. Hindenburg zieht sich bald nach Hannover in den Ruhestand zurück, wird emphatisch empfangen. Überall gilt er als Held. Ihm wird die Präsidentschaft angetragen in der jungen Republik. Hindenburg ist erpicht auf politische Macht,, er erkennt wie Friedrich Ebert, die Machtstellung und die hohe Gestaltungsmöglichkeit des Präsidenten. Aber er weiß noch besser, er lebt von seinem Mythos, der gibt ihm die Macht, politisch zu wirken. Im chaotischen Beginn der Republik wäre der Mythos schnell verblaßt. Hindenburg bleibt ein Politiker im Hintergrund.  Mit Ludendorff versöhnt er sich, beide treten gemeinsam auf, beide führen nie die Diskussion, wem „Tannenberg gehöre“, beide sind dabei, als 1924 der Grundstein für das Denkmal gelegt wird. Aber Freunde sind sie nicht mehr. Der Taktiker Hindenburg und der Verschwörungstheoretiker Ludendorff finden nicht mehr zusammen.

1925: Am 28. Februar 1925 stirbt Reichspräsident Ebert. Die schwache Regierungen, das Kabinett Luther ist erst seit dem 15. Januar im Amt.  Luther kann die Präsidentschaft nicht amtierend ausüben, Im Schnellverfahren wird am 10. März das „Gesetz über die Stellvertretung des Reichspräsidenten“ erlassen. Am 11. März übernimmt so verfassungsmäßig Dr. Walter Simons, Präsident des Reichsgerichts, kommissarisch das  Präsidentenamt. Simons ist selbst als Kandidat im Gespräch, aber sofort chancenlos. Schon am 12. März scheint ein Präsidentenkandidat gefunden: der ehemalige Kriegsminister Geßler. Er hat das Zeug um gemeinsamen Kandidaten des bürgerlichen Lagers, er war DDP – Mitglied, war praktizierend katholisch, - doch Stresemann intervenierte und wollte seinen guten Freund Karl Jarres durchsetzen. Karl Jarres ist Ihnen als erfolgreicher Oberbürgermeister in Duisburg sicher ein Begriff. Die Wahl war auf den 29. März festgelegt.

Zudem schien ein vormaliger Kriegsminister als Präsident keine gute Wahl, um mit den Alliierten über Reparationen zu sprechen. Otto Braun kandidierte für die SPD, Ludendorf für die völkischen. Er erlitt eine jämmerliche Schlappe, Jarres war mit 39% recht erfolgreich und Otto Braun lag bei 30 %. Es gab dann viel Geschäft um die zweite Runde der Kandidatur. Am 26. April ist dann der zweite Wahlgang.  SPD und Zentrum unterstützen jetzt Wilhelm Marx von Zentrum. Die Rechtsparteien drängen den parteilosen Hindenburg zur Wahl. Er stellte sich am 9. April für den Reichsblock zur Verfügung.  Nur zwischen Hindenburg und Marx  entscheidet sich der zweite Wahlgang. Thälmann als Vertreter der  KPD ist chancenlos. Marx unterliegt nur knapp Hindenburg; die katholische Bayrische Volkspartei verweigert sich dem linken Kölner Zentrumsmann Marx und viele sächsische Sozialdemokraten mißtrauen dem „katholischen Sozialismus“. 

Für Hindenburg beginnt jetzt der politische Spagat. Bisher galt er als Vertreter einer monarchischen Grundidee,  jetzt leistet er den Eid auf die Weimarer Verfassung und wird ein von den demokratischen Parteien weitgehend anerkannter Präsident. Das ruft bei weiten Kreisen der Konservativen tiefe Verletzung und Entfremdung hervor. Hindenburg wird auf einmal ein Mann für die Mitte, wird akzeptabel für die SPD: Er ist stark, populär bis zum Idol und Mythos, hat aus dem bisherigen Mangel an sozialen und gesellschaftlichen Statussymbolen auf einmal den solidarisierenden Gewinn des einfachen rechtschaffenen Heerführers. Er ist staatstragend lutherisch. Hier liegt seine politische Stärke und sein Luthertum ist seine Achillesverse nach rechts und zum Zentrum.   

1926: Die kommenden Jahre sind spannend. Hindenburg durchsteht sie mit viel Kraft, scharfer Sicht und mit bewundernswerter Gelassenheit. Hindenburg und das Deutsche Reich zwischen 1925 und 1930 ist mehr als ein abendfüllender Vortrag. Ich will mich auf wenige wichtige und bezeichnende Vorgänge beschränken. Hier geht es uns um Hindenburg, seine Persönlichkeit, nicht primär um Reichsgeschichte.

Hindenburg findet eine Lösung bei der Entschädigung. Besonders das Haus Hohenzollern verliert viel von seiner Forderung an Eigentum, aber es erhält dennoch mehr, als abzusehen war. Es gibt keine vollständige Enteignung. Es kommt nicht zum Abbruch gewachsener Tradition. Dabei war der Fürstenausgleich ist ein hochdramatisches Ringen hinter den Kulissen. Es ging eben nicht nur um Besitz, Geld, Pretiosen, es ging um einen Überleitung in die Republik.

Auch der Flaggenstreit eskaliert zunehmend. Unter Ebert hatte ein Ringen um Ausgleich bereits begonnen. Nun lastet das emotionale Problem auf Hindenburg. Auch hier brachte er die unversöhnlichen Positionen übereinander: Die Reisfarben sind schwarz – rot – gold, die Handelfarben schwarz- weiß – rot. Gerade die

Handelsflagge erhielt zunehmend Bedeutung, hatte mit dem Locarno – Vertrag Stresemann die internationale Anerkennung Deutschlands erreicht, war das Rheinland in einem ersten Schritt freier von den Alliierten geworden. Hier hatte Hindenburg gegen massiven Widerstand der politischen Rechte unterschrieben.    

Der 80 Geburtstag wird zum Triumph. Auch hier bewahrt Hindenburg Distanz zu den Verfassungsorganen. Er läßt sich feiern, aber von Bünden, Vereinen, er läßt sich national, nicht staatlich im Stadion von Berlin feiern. Die Deutsche Industie, neu erstarkt, zeigt sich spendabel. Ihr Geschenk ist Gut Neudeck, das seine Schwägerin nicht länger halten konnte.  Als es aber aus den Reihen der Schenker zu politischen Bitten kommt, sich gegen den Young- Plan 1929 zu stellen, bleibt Hindenburg hart. 

Besonders mit der DNVP gerät er an einander. Mit Hugenberg, der Kanzlerpläne hat, kommt es Anfang 1930 zum Eklat. Hindenburg empfängt ihn nicht. Hitler spielt in dieser Phase noch keine Rolle. 2,9% bei der Wahl machen ihn zur Null- Nummer in der Diskussion um den Young- Plan. Aber in Berlin beginnt Sperrfeuer aud der NSDAP. Der Völkische Beobachter nennt ihn Fahnenflüchter in der nationalen Sache.

Hindenburg handelt wie 1918 auch jetzt im Eskalieren der Krise instinkthaft. Einen Moment ist er von Staatsstreichideen ergriffen. Schleicher rät ab, mit Recht. Er hat mehr eine Kooperation mit der SA im Sinn. Denn Schleicher gilt mit einigem recht als „Linker“ im alten Generalskorps. Hindenburg hat hingegen mehr Sinn für die Rechte in der SPD. In dieser Situation dehnt Hindenburg seinen Ermessensspielraum als Präsident und tut das hier wohl einzig Richtige:

Am 28. März beruft er, ohne das Parlament einzuschalten, Heinrich Brüning zum Reichskanzler. Mit dieser Ernennung beginnt die Zeit der Präsidialkabinette.

30. März 1930 bis 7. Oktober 1931.

Der ReichskanzlerHeinrich Brüning, Zentrum, beruft ein gemäßigt nationales Kabinett, daß sich vornehmlich fachlich ausrichtet.  

  • Vizekanzler: Hermann R. Dietrich (1879-1954), DDP
  • Auswärtiges: Julius Curtius (1877-1948), DVP
  • Inneres: Joseph Wirth, Zentrum
  • Finanzen: Paul Moldenhauer (1876-1947), DVP
  • Wirtschaft bis 26. Juni 1930: Hermann R. Dietrich (1879-1954),DDp
  • Arbeit: Adam Stegerwald (1874-1945),Zentrum
  • Justiz bis 5. Dezember 1930: Johann Viktor Bredt (1879-1940), Wirtschaftspartei
  • Reichswehr: Wilhelm Groener, parteilos
  • Post: Georg Schätzel (1874-1934), BVP  / Verkehr: Theodor von Guérard ((1863-1943), Zentrum
  • Ernährung: Martin Schiele (1870-1939), NDVP
  • Besetzte Gebiete bis 30. September 1930: Gottfried R. Treviranus (1891-1971), Kons. Volkspartei
  • Ohne Geschäftsbereich ab 1. Oktober 1930: Gottfried R. Treviranus (1891-1971), Kons. Volkspartei

Das Parlament bleibt sich fortan selbst überlassen und mit sich beschäftigt. Aber keines der ernannten Kabinette faßt Tritt. Auch das liegt am Handeln Hindenburgs. Er verweigert sich diktatorischer Maßnahmen und weiß warum. Die NSDAP arbeitet massiv gegen ihn, versucht in die ultrakonservativen Kreise hineinzugreifen und hat dabei partiell sogar Erfolg. bei SPD und Zentrum ist Hindenburg wenig angefochten,

aber seine eigene konservative Hausmacht gerät in Bewegung. 1931 ist ein erster Höhepunkt der Hetze gegen Hindenburg aus dem Lager der NSDAP. Hitler will seinen Rücktritt zugunsten es „wirklich nationalen“ Präsidenten.    

1932: Am 10. April: Bei der Reichspräsidentenwahl wird Hindenburg im zweiten Wahlgang mit der absoluten Mehrheit wiedergewählt.
Als Kandidat der Sozialdemokraten und der Parteien der Mitte gewinnt er gegen Adolf Hitler, der 36,8 Prozent der Stimmen erhält. Hindenburgs Politik des eigenen Sichtvertrauens schafft Respekt bis weit in die Arbeiterschaft. sein Konzept der Nationalen Einheit hat gegriffen. Nur KPD und NSDAP sind selbst randlich nicht integrierbar. Aber politisch gibt es keine Einigung in der Mitte. Deshalb regiert ein schwaches Präsidialkabinett nach dem anderen. Im Zusammenhang mit dem Verbot der SA kommt es zum Zerwürfnis zwischen Schleicher und Reichswehrminister Groener. Schleichers Konzept zur "Zähmung" der Nationalsozialisten u.a. durch die Einbindung der SA in eine überparteiliche Wehrorganisation  findet bei Hindenburg kein Gehör mehr. Eine massive Entfremdung greift zwischen beiden Platz. 

Am 30. Mai entläßt Hindenburg das 2. Kabinett Brüning und ernennt Franz v. Papen zum Reichskanzler. Schleicher wird Reichswehrminister im Kabinett v. Papen, den er selbst bei Reichspräsident Hindenburg als Nachfolger von Brüning vorgeschlagen hatte

Papen versucht – schon mit Hitler rechnend – im November eine befristete Diktatur des Reichskanzlers als Ausweg aus der staatspolitischen Krise dem Präsidenten abzuringen. Hindenburg weiß das aber nicht.

Die Reichstagswahlen vom 6. November 1932 sind ein Erdrutsch:

Partei

Stimmen

NSDAP

33,10%

DNVP

8,30%

DVP

1,90%

BVP

3,10%

Zentrum

11,90%

Deutsche Staatspartei

1,00%

SPD

20,40%

KPD

16,90%

Sonstige Parteien

3,30%

Am 17. November tritt das Kabinett v. Papen zurück. Es gibt keine Möglichkeit eine parlamentarische Regierung ohne NSDAP zu bilden. Hindenburg legt hierauf keinen Wert mehr. Der „Vorrat“ an politischen Kanzlerkandidaten ist erschöpft. Es dauert bis zum 2. Dezember. Jetzt ernennt Hindenburg Kurt v. Schleicher zum Reichskanzler.

Schleicher taktiert. Noch einmal greift er sein SA- Konzept auf. Der parteiferne Versuch, durch ein Bündnis von rechten Gewerkschaftern und linken Nationalsozialisten wie Gregor Strasser eine Massenbasis für seine Regierung zu schaffen, scheitert am Widerstand der Führungen der SPD und der NSDAP.

1933: Die letzte Krise der Weimarer Republik  bricht am 22. Januar aus. Franz v. Papen verhandelt: hinter dem Rücken von Schleicher mit Hitler über dessen Berufung zum Reichskanzler. Ob im Auftrag von Hindenburg ist nicht geklärt, wenn auch immer wieder behauptet. Sicher ist, Hindenburg wollte eine Regierung, kein berufenes Kabinett auf Dauer. Hier liegt die Zwickmühle: Ohne Hitler war keine Regierung aus dem Parlament möglich, doch Hitler und die NSDAP waren ungewollt.  Das war am 23. Januar klar, als Schleicher ein Verschieben von Neuwahlen forderte. Selbst Otto Braun und andere Politiker des linken Spektrums unterstützen diesen Gedanken. 

28. Januar: Schleicher erklärt nach einem Gespräch mit Hindenburg den Rücktritt seiner Regierung und empfiehlt die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler

Der Rücktritt von General Schleicher als Kanzler ist unumgänglich,  nachdem ihm Hindenburg das Vertrauen entzogen hat.

Aber wir wissen mehr. Am späten Mittag des 30. Januar versucht v. Schleicher doch den Putsch, versucht Hindenburg umzustimmen – nicht als Kanzler den Präsidenten, sondern als General den General. Schleicher ist jetzt zum Putsch bereit, Hindenburg lehnt ab. Diesen letzten Vorstoß, die NSDAP als Regierungspartei zu verhindern, bezahlt Schleicher am 30.6. 1934 mit seinem Leben.

Hindenburg ist längst nicht mehr der alte General, kein Militär bis in die Knochen – der er nie war! Hier wiederholt sich die Entscheidung vom November 1918 in der Umkehr. Hindenburg denkt strategisch. Damals beteiligte sich Hindenburg aktiv am Werden der neuen Kräfte, jetzt versagt er sich, gegen die bestehende Ordnung zu handeln. Er bleibt strikt verfassungstreu. Anders als bei der verfassungsmäßig problematischen Berufung Brünings sah er sehr klar, daß ein Militärputsch eine ganz andere Qualität hatte. Vor dem 1. Kabinett Brüning hätte er dem Putsch zugestimmt. Damals wollte Schleicher nicht, jetzt war die Lage anders: Jetzt war er ohne Not aktiver Verfassungsbruch; es gab eine parlamentarische Alternative. Da war er nicht problematisch, nicht rechtsstreitig, der war schicht rechtswidrig. Und, wer wäre ihm gefolgt? Alle, deren Nachfolgeparteien heute so klug rechtsstaatlich räsonieren? Zentrum, SPD, die Gewerkschaften und Kirchen? Die KPD? Hindenburg wußte: Ein Putsch wäre in Bürgerkrieg geendet, so wie damals ein Festhalten am Kaiser 1918.

Hindenburg entscheidet deshalb einzig richtig. Der parlamentarischen Macht gemäß beruft Hindenburg Hitler zum Reichskanzler. Papen wird Vizekanzler des konservativ - nationalsozialistischen Koalitionskabinett. Viele Generationen von Historikern nehmen hieran Anstoß und verkennen seltsam die Verhältnisse, obwohl sie vom Fach sind. Was war denn passiert: Hindenburg war von den Präsidialkabinetten zum Parlamentskabinett verfassungsgemäß zurückgekehrt. Denn Präsidialkabinette waren die rechtlich vage Ausnahmemöglichkeit der Verfassung, auch wenn man sie längst als normal ansah. So sah das Kabinett aus, damit wir uns vergegenwärtigen, was im Nachhinein besserwisserisch Hindenburg vorgeworfen wird:

Kabinett Hitler
ab 30. Januar 1933, Präsidialkabinett, seit 24. März 1933 mit diktatorischen Vollmachten: Reichskanzler: Adolf Hitler, NSDAP, regiert mit den Ministern

  • Vizekanzler: Franz von Papen, Zentrum
  • Auswärtiges: Konstantin Freiherr v. Neurath, parteilos
  • Inneres: Wilhelm Frick, NSDAP
  • Finanzen: Johann Ludwig Graf Schwerib v. Krosik, parteilos
  • Wirtschaft: Alfred Hugenberg, DNVP
  • Arbeit: Franz Seldte, Stahlhelm
  • Justiz: Franu Gürtner, DNVP
  • Reichswehr:Werner v. Blomberg, parteilos
  • Post: Paul Freiherr Eltz von Rübenach (1875-1943), parteilos
  • Verkehr: Paul Freiherr Eltz von Rübenach (1875-1943), parteilos
  • Ernährung: Alfred Hugenberg, NDVP
  • ohne Geschäftsbereich:Hermann Göring, NSDAP

Nun war der Verfassung voll Genüge getan und die große fatale Krise ist Kind dieser Verfassungstreue. Und doch beschädigt Hindenburg wieder wie im Fall Brüning die Verfassung, ohne daß Widerspruch erfolgen kann: Er ernennt ohne notwendigen Vorschlag Hitlers seinen Reichswehrgewährsmann  v. Blomberg zum Kriegsminister.

Damit ist er sich sicher, daß die NSDAP wirkungsvoll beschnitten ist. Das Kabinett ist ausgeglichen und nur mit vier NSDAP- Mitgliedern besetzt, Göring blieb sogar ohne Geschäftsbereich. 

Am 28. Februar ebnet Hindenburg mit der Unterzeichnung der "Verordnung zum Schutz von Volk und Staat" den Weg in die greifende NS- Diktatur. Hier spätestens hätte Hindenburg Einhalt gebieten sollen, müssen -  so ist die fast generelle Sicht. Auch Wolfram Pyta löst sich nicht von dieser Wertung.

Bei Licht betrachtet, Hindenburg konnte nicht mehr eingreifen – nicht, ohne doch die Reichswehr zum Putsch zu rufen. Und diese Chance war am 30. Januar vertan. Wir machen uns auch um die wahre Stellung Hindenburgs kein Bild mehr. Hindenburg wurde ab 1929/30 von der NSDAP angegriffen, nicht nur subtil verunglimpft. Die Konfrontation zwischen Dr. Goebbels  und Hindenburg war heftig; Goebbels nannte Hindenburg ihn kaum verklausuliert einen senilen Trottel und legt damit den für das bis heute anhaltende Mißverständnis Grundstein, der greise Präsident sei dement gewesen.

Auch Hitler wollte Hindenburg so fern wie möglich fernhalten. Hindenburg störte den Coupe mit dem politischen Katholizismus. Für Hitler zählte nur, Hindenburg gibt seine Hand, nicht seinen Segen am 21. März. Ohne Frage und mit Absicht: Die Teilnahme Hindenburgs an dem - von den Nationalsozialisten inszenierten – „Tag von Potsdam“ steigert das Ansehen der Regierung Hitlers. Beide wissen das, beide wollen das. Hitler braucht die erzkonservativen, die Reaktion. Hindenburg  versucht  noch einmal etwas, was ihm in umgekehrter Weise 1918 gelungen war: die Einheit von Politik und Militär herzustellen und so zerstörerischen Einzelkräften nicht die volle Macht zu überlassen. Das Gepränge, der friederiziansche Glamour mag ihn mehr gestört als befriedigt haben. Zu sehr wußte er, daß die Nationalsozialisten den Alten Fritz besser instrumentalisieren konnten als Bismarck. Dem war Hindenburg um Längen näher. Schleicher hatte versagt. Hindenburg entzieht ihm die schützende Freundschaft. Göring wird als „neuer Kamerad“ von Hindenburg angenommen. Damit ist der Tod Schleichers in der Nacht der Langen Messer vorprogrammiert. Und irgendwie – nicht im einzelnen merkbar verliert Hindenburg seine Kraft. Wozu hätte er sich auch noch aufschwingen sollen? Die regressive Gesetzgebung, das Verschwinden der demokratischen Regeln und ihrer Organe geschah unter einer stabilen Regierung. 

1934: Den inszenierten Röhmputsch nahm Hindenburg in seiner Demension nicht mehr wahr. Er hieß in einer Depesche seine Zerschlagung gut. Begriffen hat ihn der Alte nicht mehr. Er wird kaum mehr als von Unzucht bei der ihm verhaßten SA begriffen haben. Über sie war die Freundschaft mit Schleicher zerbrochen. Nun stirbt Schleicher mit ihr.  Hindenburg steht wohl nicht zu Hitler; sondern er stützt matt die Reichwehr, die vom SA- Schlag profitierte - putativ. Er hat von ganz weit noch begriffen, die Reichswehr sei in Gefahr gewesen durch den Schlaggenhaufen SA.  So darf auch in seinem Testament die Reverenz an Hitler gelesen werden. Ein Sterbender verläßt sich auf den Schein, daß das Volk in Militär, Wirtschaft, sozialer Sicherheit und Politik geeint wurde.

2. August: Paul von Hindenburg stirbt in Neudeck (Regierungsbezirk Marienwerder) und wird im Denkmal von Tannenberg beigesetzt. Hitler übernimmt das Amt des Staatsoberhaupts. Die Reichswehr leistet nun ihren Eid auf die Person Hitlers.

Die sterblichen Überreste Hindenburgs ruhen heute abgelegen in der St. Elisabeth- Kirche in Marburg. Von Blumenspenden und Ehrenbezeugungen ist nach der Anweisung der Kirchgemeinde Abstand zu nehmen.
 

Quelle:
Vortrag von Volker Schmidt, gehalten auf der Herbst-Kulturtagung 2008 in Oberhausen
(ohne schriftliche Genehmigung darf dieser Vortragstext
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