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Kulturtradition leben und
weitergeben Ein Stückchen Mohnrolle oder ein Gläschen Bärenfang gefällig? Wie wär’s mit einem leckeren Schmalzbrot? Dabei mit Landsleuten plachandern, ein Platzkonzert und ein buntes Kulturprogramm genießen sowie eine Kundgebung anhören? Das alles und noch viel mehr bot das nunmehr 18. „Kleine Ostpreußentreffen“ auf Schloss Burg bei Solingen den zahlreich angereisten Gästen. Im 65. Jahr ihres Bestehens lud die Landsmannschaft Ostpreußen, Landesgruppe Nordrhein-Westfalen, zur traditionellen Kulturveranstaltung ein. Landsleute, Vertreter befreundeter Landsmannschaften sowie Persönlichkeiten des politischen, kulturellen und sozialen Lebens aus Nordrhein-Westfalen waren der Einladung gefolgt und erlebten einen im wahrsten Sinne des Wortes heißen Sommersonntag im Bergischen Land. Der Landesvorsitzende Jürgen Zauner war erfreut, dass es mit Unterstützung der vielen ehrenamtlichen Mitwirkenden aus den umliegenden landsmannschaftlichen Gruppen Wuppertal, Remscheid und Solingen sowie vor allem auch dank finanzieller Zuwendung der Bezirksregierung in Düsseldorf gelungen ist, die Kulturveranstaltung erneut abzuhalten. „Ich verkenne aber nicht“, so Jürgen Zauner, „dass dies uns immer schwerer fällt zu vertreten, denn wir, die bekennenden Ostpreußen, werden immer weniger.“ Gleichzeitig erinnerte der Landesvorsitzende daran, dass bereits 63 Jahre verstrichen sind, seit der erste Bundespräsident Theodor Heuss die Ostdeutsche Gedenkstätte auf Schloss Burg der Öffentlichkeit übergab. Wer der Veranstaltung auf dem bergischen Plateau beiwohnte, konnte dem Geläut der Ostdeutschen Glocken lauschen und das Mahnmal der Vertreibung sowie die Ernst-Moritz-Arndt-Bronzebüste im Innenraum der Gedenkstätte der deutschen Heimatvertriebenen im Batterieturm besichtigen. Die diesjährige Ostpreußenbegegnung in Nordrhein-Westfalen lief unter dem Leitwort „Ostpreußen – über 3.000 Jahre prußisch-preußisch-deutsche Heimat“. Die von Pfarrer Martin Lipsch aus Solingen-Wald gesprochene Andacht leitete den offiziellen Teil der Veranstaltung ein. Beeindruckende Momente gab es beim Gedenken an die Opfer der Vertreibung mit Kranzniederlegung. „Wer im Gedächtnis seiner Lieben lebt, der ist nicht tot, der ist nur fern. Tot ist nur, wer vergessen wird“, mit diesen Worten Immanuel Kants forderte Jürgen Zauner die Anwesenden auf, die Toten aller Völker zu ehren. Und der Landesvorsitzende fügte hinzu: „Wir gedenken aller Toten, die während der über 3000-jährigen prußisch-preußisch-deutschen Historie und noch später in ostpreußische Heimaterde gebettet wurden. Stellvertretend für abertausende anonyme Schicksale von Flucht, Vergewaltigung, Vertreibung und Siegerwillkür erinnern wir heute an einen kleinen Jungen – auch ein Opfer der sogenannten vermeintlichen Befreiung Ostpreußens.“ Doch der Blick ging auch in Richtung Zukunft. Stefan Hein, der Vorsitzende des Bundes Junges Ostpreußen (BJO), stellte verschiedene Aktivitäten – darunter Seminare und Freizeiten – vor, die teilweise auch gemeinsam mit polnischen Jugendlichen stattfanden. Im BJO haben sich Ostpreußen und Freunde Ostpreußens aus der jungen und mittleren Generation zusammengefunden, denen Ostpreußen ein Anliegen ist. Sie machen aufgrund eigener Abstammung, aus historischem, politischem Interesse, aus Reiselust oder Abenteuerfreude mit. Es gilt für alle, mitzuwirken, dass ein zu schaffendes einiges Europa sich nicht um reiches Erbe bringt, dessen Verlust sich später als fataler Mangel erweisen würde. Daher darf die deutsche Geschichte Ostpreußens nicht aus vermeintlicher Opportunität relativiert oder als historisch abgeschlossene Zeit verdrängt werden. Der BJO geht weiterhin auf Entdeckungsreisen in die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Auf Fahrten nach Ostpreußen und auf Ausflügen durch Deutschland wird immer wieder ein Stück Geschichte greifbar gemacht. Doch den BJO-Vorsitzenden und seine Altersgenossen interessieren natürlich auch die Perspektiven und neuen Wege, die dank der Unterstützung der Politik in einem friedvollen, vereinten Europa möglich sind. Der Festredner Werner Jostmeier, zuständig in der CDU-Landtagsfraktion für Vertriebene und Spätaussiedler, nahm in seinem Vortrag Stellung zu den Fragen Stefan Heins. Vor dem Hintergrund der heute weltweit 45 Millionen Vertriebenen und Flüchtlinge hob Jostmeier den hohen Stellenwert der Ostpreußen sowie der 14 Millionen Heimatvertriebenen und Flüchtlinge hervor. Wer genau weiß, was es heißt, alles zu verlieren, was das frühere Leben ausgemacht hat, kann als Brückenbauer zwischen Ost und West wirken. Jostmeier ermunterte die Anwesenden, in ihrer Arbeit und in ihrem Engagement für die Bewahrung der heimatlichen Traditionen niemals nachzulassen. Es bleibe notwendig, so der Festredner, Fakten und damit die Wahrheit gemeinsam mit den europäischen Nachbarn zu sammeln und darüber zu reden. An den Ständen vor der Gedenkstätte wurden typische ostpreußische kulinarische Spezialitäten und Getränke, Bücher, DVDs, Landkarten und nicht zuletzt eine Auswahl an Bernstein-Schmuck angeboten. Vertreterinnen der Kreisgruppe Remscheid boten selbstgebackene Kuchen an und waren zusammen mit ihrer Vorsitzenden Irmgard Beeck frohen Mutes. Sie stellten nämlich fest, dass der BJO auch diesmal nicht nur mit seinem Informationsstand dabei war, sondern die Gäste im „Café Lorbaß“ auch mit ostpreußischem Kuchen empfing. So ist schon mal sichergestellt, dass die Backrezepte aus der Heimat erhalten bleiben. Kompetent und überzeugend erklärte Marlies Hein, die Betreuerin der Heimatstube in Dortmund, die Eigenheiten der ostpreußischen Tracht und des passenden Bernsteinschmuckes. Die Veranstaltung wurde erneut von den Dabringhauser Musikanten unter der Leitung von Torben Krause begleitetet. Frank Braun brachte unter anderem das Trompetensolo „Ich hatt’ einen Kameraden“ zu Gehör. Im Rahmen des von der Kulturverantwortlichen der Landesgruppe Nordrhein-Westfalen, Bärbel Beutner, moderierten und geleiteten „Bunten Reigens“ traten erstmals Mitglieder vom Soester Kultur- und Geschichtsverein der Deutschen aus Russland mit Tänzen und Volksliedern auf. Beutner stammt aus der Nähe von Königsberg, lebt heute in Unna, besucht regelmäßig ihre Heimat und hat dort Freundschaften mit den Bewohnern geschlossen. Sie vertritt die Ansicht, dass die Landsmannschaft Ostpreußen und der Zusammenhalt auch in Zukunft – wenn die Vertreterinnen und Vertreter der Erlebnisgeneration nicht mehr da sind – dennoch weiter bestehen wird: „Ein so wichtiges Stück deutscher Kultur wird nicht einfach verschwinden. Es finden sich auch heute immer wieder junge Menschen, die Interesse an der ostpreußischen Geschichte, Kultur und Landschaft haben. Junge Historiker, Volkskundler, Architekten, Geografen und Juristen könnten dazu beitragen, dass sich die Szene ändern und vor allem verwissenschaftlichen wird, aber auf jeden Fall weiter lebt.“
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