Ostdeutschland und die Herausforderungen der Gegenwart
Sehr geehrte Damen und Herren,
Liebe Freunde aus Ostpreußen, Pommern und Schlesien!
Es ist nicht leicht, nach dem vorausgegangenen Gedenken ohne innere Bewegung zu sprechen.
Nun habe ich geraume Zeit überlegt, was ich eigentlich bei einem solchen Anlaß wie dem heutigen sagen soll. Schließlich bin ich zur Erkenntnis gekommen, daß ich keine Sonntagsrede halten darf – eine Sonntagsrede, die die Überwindung von Problemen feiert, bisherigen Leistungen herausstellt und dann schließlich in einem Schulterklopfen gipfelt. Und ich muß gestehen, daß man man nach meiner Ansicht gar keine Sonntagsrede halten kann, wenn man die Wirklichkeit mit ostdeutschen Augen betrachtet. Wir befinden uns ja hier auf Schloß Burg wie auf einer Insel. Hier treffen wir mit Menschen zusammen, mit denen wir vieles gemeinsam haben, nicht zuletzt unsere Herkunft aus dem deutschen Osten. Aber kaum verlassen wir diese Insel, so bläst uns der raue Wind der Wirklichkeit scharf in das Gesicht.
Um unseren Weg weiter in die Zukunft zu gehen, müssen wir uns aber dieser Wirklichkeit nicht nur stellen, sondern wir müssen vor allem Strategien entwickeln, um unser Anliegen und unser Vermächtnis weiterzutragen. Natürlich ist das Leben für jeden von uns begrenzt, aber unser Vermächtnis soll nicht Opfer der Zeit werden, d.h. mit anderen Worten, die sogenannte „biologische Lösung“ soll nicht das Ende bedeuten. Vielmehr müssen wir alle Vorbereitungen treffen, um das, was wir als Verpflichtung empfinden, an die kommenden Generationen weiterzureichen.
Meine folgenden Gedanken kreisen daher um zwei Schwerpunkte. Erstens: Wie stellt sich die Lage für den Menschen ostdeutscher Herkunft gegenwärtig dar? Und zweitens: Welche Schlußfolgerungen ergeben sich daraus in Bezug auf Verfahren, die unser Anliegen in die Zukunft führen. Sie sehen daraus, daß ich nicht beim Jammern stehenbleiben will. Geklagt wird schon genug und selbst viele von uns stimmen mit ein, daß sich die Frage der Landsmannschaften in Zukunft von selbst erledigen wird. Eine derart resignative Haltung muß zwangsläufig das Ende bewirken.
Zu Punkt eins: Eine Bestandsaufnahme unserer gegenwärtigen Situation fällt entmutigend bis vernichtend aus. Die Sanktionierung der Oder-Neiße-Grenze 1990, im Grunde bloß eine Wiederauflage des Görlitzer Vertrags der DDR aus dem Jahr 1950, brachte eine Amputation der deutschen Ostgebiete – übrigens bei stehenden Ovationen des Bundestags. Über die völkerrechtliche Problematik möchte ich mich hier erst gar nicht äußern. Indem der Begriff ‚Ostdeutschland’ im Zuge einer umfassenden Sprachregelung fälschlich auf Mitteldeutschland übertragen wurde, hat man den Osten Deutschlands auch aus dem Bewußtsein insbesondere dem der kommenden Generationen verbannt. Abgesehen davon schreibt diese Verwendung des Begriffs ‚Ostdeutschland’ die Existenz der erloschenen DDR weiter fort. Außerdem ist diese sprachliche Zweiteilung in Ost und West nichts anderes, als die Fortsetzung des unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg auftauchenden angelsächsischen Sprachgebrauchs ‚East Germany’ und ‚West Germany’.
Aus den Ordnungssystemen der Bibliotheken und Nachschlagewerken ist Ostdeutschland im ursprünglichen Sinne verschwunden und durch die Bezeichnung ‚östliches Mitteleuropa’ ersetzt worden. Zwar wurde das ostpreußische Landesmuseum in Lüneburg erweitert und das schlesische Museum in Görlitz sind eine eindrucksvolle Einrichtungen ebenso wie das oberschlesische Museum in Rathingen, aber dies entspricht nicht der vorherrschenden Entwicklungstendenz. Wenn man die Situation in der Überschau betrachtet, bauen wir die ostdeutschen Kultureinrichtungen ab, wie z.B. soeben das Samlandmuseum in Minden oder das hervorragende Museum Königsberg in Duisburg. Vor allem, und das ist besonders verhängnisvoll und schmerzlich, geben wir immer mehr unsere Forschungsstellen in Bezug auf Ostdeutschland auf, wie z.B. den Lehrstuhl für pommersche Geschichte kürzlich an der Universität Greifswald. Forschung, die sich mit dem Osten Deutschlands beschäftigt, erfolgt in zunehmendem Maße durch polnische, tschechische oder russische Wissenschaftler. Dadurch verlieren wir Ostdeutschland aus unserem Gesichtskreis, und es droht der geistige Verlust Ostdeutschlands. Wie weit die Entwicklung bereits gediehen ist, geht aus dem geringen Interesse hervor, das bei uns der ostdeutschen Landeskunde entgegengebracht wird.
Über die Integration der Flüchtlinge und Vertrieben in die bundesrepublikanische Gesellschaft wird viel geredet, und das Gelingen dieser angestrebten Integration wird als großer Erfolg gefeiert. Aber man muß sich auch fragen, ob diejenigen Ostdeutschen, die an ihrer Herkunft festhalten, einen ungeliebten Fremdkörper in unserer Gesellschaft darstellen. Zum einen will man die Tatsache der Vertreibung von über 12 Millionen Menschen in der offiziellen Politik nicht beim Namen nennen. Der frühere Bundespräsident Richard von Weizsäcker sprach in seiner berühmten Rede am 8. Mai 1985 in schon zynischer Weise von der „erzwungenen Wanderschaft“ und lieferte damit die richtungsweisende Sprachregelung für die folgenden politischen Verlautbarungen zu diesem Thema. Wenn man das historische Geschehen so einordnet und wertet, dann muß man den zur Wanderung gezwungenen auch das Recht auf Erinnerung nehmen. Hier haben sich ganz gefährliche Denkmuster entwickelt, die von den Medien gezielt gepflegt werden. Die Vertriebenen sind zwar Opfer des Kriegs, da aber gleichzeitig der Schuldkomplex nach allen Regeln der Kunst gezüchtet wird, werden die Opfer zu einer Folgeerscheinung der Schuld und damit erhält die Vertreibung eine Form von Rechtfertigung.
Wir haben in Deutschland eine ausgeprägte Erinnerungskultur, aber diese Kultur ist völlig einseitig. Suchen die Vertriebenen nach einem zentralen Symbol, das ihr Leid zum Ausdruck bringt und dem gegenüber sie ihr Leid auch bezeugen können, so gleicht diese Suche dem Tasten durch ein Labyrinth politischer Widerstände. Die Stiftung „Flucht, Vertreibung und Versöhnung“ hatte voller Selbstbewußtsein auf ihre Fahnen geschrieben, für ein solches Symbol zu sorgen. Mehrere eindrucksvolle Gebäude oder Plätze kamen der Reihe nach ins Gespräch und wurden nacheinander verworfen. Die immer bescheidener werdenden Lösungen versinnbildlichen die allmähliche Zergliederung der ursprünglichen Idee durch die herrschende Politik – bis schließlich eine Lösung herauskam, die bedeutungslos genug war. Man verwehrt den Deutschen sogar einen nationalen Gedenktag an das Vertreibungsgeschehen. Stattdessen wird der in der gesamten Geschichte bisher einmalige Vorgang, internationalisiert und damit in unzulässiger Weise auch relativiert. Man betrachtet ihn ausschließlich in Zusammenhang mit anderen Vorgängen in Europa und wertet die Vertreibung der Deutschen damit als ein Ereignis von vielen. Der 20. Juni wurde 2001 von den UN als Weltflüchtlingstag eingerichtet. Darin geht das Schicksal der deutschen Heimatvertriebenen auf. Dem Deutschen wird auf diese Weise das Recht entzogen, sich seines eigenen Schicksals zu erinnern, ein Schicksal, das in der bisherigen Geschichte keine Parallele hat. Die Statuten der UN enthalten in den Artikel 53 und 107 nicht nur bis zum heutigen Tag unvermindert die sogenannte Feinstaatenklausel, sondern der Schutz des UN-Flüchtlingswerkes (UNHCR) gilt nicht für die deutschen Flüchtlinge nach 1945.
Man hat uns erzählt, daß die Konstruktion der Europäischen Union auf Rechtsprinzipien aufgebaut sein würde, die eine konsequente Aufhebung der Bierut-Dekrete in Polen und der Beneš-Dekrete in Tschechien mit sich bringen. (1) Nichts ist in dieser Hinsicht geschehen. Das jetzige Europa ruht damit auf Fundamenten, die den Grundsätzen von Menschlichkeit und Gerechtigkeit Hohn sprechen. Der BdV achtet sehr genau darauf, daß er mit seinem Kurs die vorgegebene rote Linie nicht zu weit überschreitet. Wagt sich die bis vor kurzem noch amtierende Präsidentin Erika Steinbach zu weit vor, fallen Politiker und Medien über sie her.
Ich könnte nun meine Zustandsschilderung durch zahlreiche weitere Beispiele erweitern, möchte jedoch nur ein paar Akzente setzen, um die Situation in ihren Grundzügen zu verdeutlichen. Die derart skizzierte Situation ist jedoch eingebettet in einen übergreifenden Zusammenhang. Dieser ist bestimmt durch eine Entwicklung, deren Auswirkung und Tragweite wir heute noch gar nicht ermessen können: Europa bewegt sich auf einen tiefgreifenden Wandel zu. Dieser Wandel wird sich nicht im Sinne der Vollendung der europäischen Konstruktion, so wie wir sie heute Brüssel vorschwebt, vollziehen. Ein anderes Europa wird sich entwickeln, dessen Gestalt wir noch nicht kennen können. Wir können jedoch vermuten, welche Kräfte an der Gestaltwerdung des neuen Gebildes Europa beteiligt sein werden und hier wird es interessant im Hinblick auf das Schicksal des deutschen Ostens.
Das Europa, wie es in Schengen und Maastricht aus der Taufe gehoben wurde, ist durch eine Folge von gravierenden Rechtsbrüchen belastet, abgesehen davon, daß man die Deutschen nie befragt hat, ob sie diese Form von Europa überhaupt wollen. Statt die Völker Europas zusammenzuführen, hat man sie entzweit: Die Griechen hassen uns, und wir beschimpfen die Ungarn, in England wachsen die Vorbehalte und in Spanien wirft man dem Euro die hohe Jugendarbeitslosigkeit vor, Österreich stößt mit Italien am Brenner zusammen und Frankreich beklagt sich über den hohen Exportüberschuß der deutschen Wirtschaft. Statt einer europäischen Verständigung hat man ein Gegeneinander geschaffen. Wenn ein tragfähiges Finanzsystem die Grundlage Europas sein soll, dann muß das Brüsseler Europa schon jetzt als gescheitert angesehen werden. Griechenland ist ein Faß ohne Boden, und die dorthin geflossenen Gelder erhöhten lediglich den Profit einiger Großbanken. Die sich in schwindelnde Höhe auftürmenden Schulden europäischer Staaten werden zudem unweigerlich zum Zusammenbruch des Finanzsystems führen.
Weiterhin ist Europa in verhängnisvoller Weise in den Strudel der Globalisierung geraten. Die traditionellen Werte der Völker werden einem seelenlosen Materialismus geopfert – und dazu gehört auch Heimat. Europa löst sich auf und verliert seine Identität. Im Zuge der Globalisierung greifen die USA nach Europa und nutzen es durch TTIP aus, ein Vertragswerk, das Europa Rechtskonstruktionen aufzwingt, die uns praktisch wehrlos machen.
Eine offensichtliche Folge der Globalisierung sind die nach Europa, insbesondere nach Deutschland, einströmenden Massen aus anderen Kulturbereichen. Dazu nur zwei Bemerkungen: Mehrere Indikatoren deuten darauf hin, daß es sich bei den Migrationsströmen um geopolitische Strategien der hybriden Kriegsführung handelt (2). Und wenn wir das Problem im Sinne Europas und Deutschlands nicht lösen, dann versinkt Europa, so wie es seit Jahrhunderten trotz aller Kriege Bestand hatte. In einer globalisierten Welt findet derjenige, der nach Ostdeutschland sucht, keine Bezugspunkte mehr. Die Globalisierung kennt keine Grenzen und keine Individualität; sie verneint Geschichte und Kulturen, sie löst Tradition und Heimat auf.
Betrachtet man aber unsere Regierung, so gewinnt man den Eindruck, daß sie an der hybriden Kriegsführung auf der anderen Seite teilnimmt. Damit steuere ich den zweiten Teil meiner Überlegungen an: Es entwickelt sich so etwas, was gegenwärtig noch eine Graswurzelbewegung ist, was aber mit unverkennbarer geistiger Kraft unaufhörlich wächst. Es ist die Bewegung gegen diese Form der Globalisierung, gegen die eine Welt und gegen undemokratischen Zentralismus. Der verbissene Haß, mit dem diese Bewegung durch die jetzigen Machteliten bekämpft wird, läßt erkennen, daß es um die Verteidigung einer beherrschenden Machtposition geht. Dabei zeichnet sich ein erschreckender Gleichklang von politischer Macht und Medien ab. Die Machtentfaltung mag jedoch auch noch so rigoros sein, je stärker der Druck von oben wird, desto mehr wächst die Bewegung von unten. Man ist geneigt an die Worte von Friedrich Hölderlin zu denken: „Wo Gefahr ist, wächst das Rettende auch“.
Die jetzige Politik zielt auf eine Auflösung von Nation, Nationalstaat und Volk ab. Denken Sie nur an den Sprachgebrauch unserer Politiker, wenn diese nicht von „Volk“ reden, sondern von „den Menschen in unserem Lande“. ‚Nation’ sei ein längst überholter Begriff aus dem 19. Jahrhundert, jetzt müsse man „weltoffen“ sein, die Grenzen müßten überwunden werden. Dem muß man entgegenhalten: Wo alles grenzenlos ist, dort wird alles auch gestaltlos. Dem stellt sich die neue Opposition entgegen und diese Opposition ist grundsätzlich. Es ist gewiß eine bösartige Unterstellung, wenn man sagt, daß unsere Abgeordneten dann am aktivsten sind, wenn es um die Diätenerhöhung geht. Aber die im Bundestag herrschende Einmütigkeit in den grundsätzlichen Fragen erinnert doch sehr stark an die Blockflöten der DDR-Volkskammer. Man darf sich daher nicht wundern, wenn sich von unten her eine kardinale Opposition auftut. Diese Opposition will all das bewahren bzw. zurückholen, was die herrschende Politik verspielt. Dazu gehört auch, daß man dem Prinzip der Nation wieder seine ursprüngliche Geltung verleiht. Zwar vertritt diese Opposition ihr in einer Demokratie absolut legitimes Recht, aber sie wird von der Gegenseite verteufelt. Es fehlt die Dialogbereitschaft, und man kann schon jetzt absehen, daß die Opposition zum Widerstand wird. Nicht ohne Grund wird der Ruf „Wir sind das Volk!“ immer lauter.
Zweifellos wird diese Opposition auf breiter Basis trotz medialer Verleumdungen einen Meinungsumschwung herbeiführen. Das gilt nicht nur für Deutschland, sondern der Funke ist auch, wie ich selbst vor Ort feststellen konnte, auf England, Polen und Tschechien übergesprungen. Wir haben es hier also mit einer geistigen Bewegung zu tun, die ganz Europa erfaßt hat. Die Rückholung der Nation bedeutet für uns auch die Gewinnung eines neuen Selbstverständnisses, das uns aus der erniedrigenden Schuldecke herausführt. Der systematisch eingeimpfte und an jede Generation weitergereichte Schuldkomplex kann nur zu einer politischen Paralyse führen, die sich auf allen Ebenen manifestiert. Bis jetzt kann man in Dresden schreien „Bomber Harris do it again!“ und an Mauerwände schreiben „Deutschland verrecke!“, ohne daß sich irgendwie Widerspruch rührt. Dazu kommt dann eine Haltung gegenüber unserer Kultur, die in dem Film Fuck ju Göthe ihren bezeichnenden Ausdruck findet. Wie soll man aus dieser Haltung heraus unseren Kindern klarmachen, daß die Kultur des deutschen Ostens eine Verpflichtung darstellt? Die Reduzierung unserer Geschichte auf 12 Jahre führt unweigerlich zu einem schiefen Bild von Ostdeutschland. Eine derartige Reduktion macht es unmöglich, die deutsche Ostkolonisation als eine Kulturleistung von 700 Jahren darzustellen.
Zweifellos wird sich der Umschwung, wenn er stattfindet, nur unter schmerzhaften Friktionen abspielen, aber er wird unsere Ausgangslage erheblich verbessern. Das Instrumentarium, das uns zur Verfügung steht, werden wir mit viel größerer Wirkung und einem wesentlich stärkerem Echo einsetzen können. Wenn wir uns wieder als Volk und nicht als Ansammlung von Konsumenten fühlen, dann wird sich auch wieder der Blick für den historischen Osten Deutschlands öffnen.
Unser Instrumentarium ist dabei unsere Kultur. Wie eine unzerstörbare geistige Schicht legt sich unsere Kultur über das Land. Natürlich läßt sich das Rad der Geschichte nicht zurückdrehen, aber jede Berührung mit dem Land läßt diese Schicht aufbrechen und das geistige Erbe freiwerden. Joseph von Eichendorff kann man nicht aus seiner landschaftlichen Bindung entfernen, und Immanuel Kant kann man nicht von Königsberg trennen. Das setzt jedoch voraus, daß wir unsere Kultur pflegen und uns mit dem angemessenen Selbstverständnis dazu auch bekennen. Die Nation als Ordnungsfaktor führt dabei keineswegs dazu, daß man zu den Angehörigen anderer Nationen in eine Frontstellung gerät. Im Gegenteil, die Wertschätzung der eigenen Kultur führt zur Anerkennung anderer kultureller Werte. Dies ist ein Prozeß, den wir auch bei unseren östlichen Nachbarn beobachten können. Wir haben Beispiele, in denen tschechische, russische oder polnische Wissenschaftler und Intellektuelle deutschen Kulturzeugnissen mehr Interesse entgegenbrachten als die Deutschen selbst. Ich habe persönlich erlebt, wie eine russische Germanistik-Studentin einer deutschen Busreisegruppe Eichendorff-Gedichte vortrug und vielen in der Gruppe Eichendorff völlig unbekannt war. Um die Situation noch deutlicher zu charakterisieren: Während wir geradezu Jagd auf Agnes Miegel machen und alles tilgen, was an sie erinnert, liegt fast ihr gesamtes Werk zweisprachig in sehr schönen Ausgaben bei den Russen vor. Dieses Beispiel möge zeigen, in welcher Form wir unsere Kraft aufgeben und was wir mit dieser Kraft eigentlich erreichen könnten. Sagen Sie nicht, daß ich als Strategie nur schöne und unverbindliche Worte anbiete. Unsere Kultur ist von faszinierender Realität. Das Geheimnis ihrer Wirkung liegt in der bewußten Wahrnehmung unserer Kultur. Und in der Neuzeit liegt der Schwerpunkt unserer Geistesgeschichte im Osten: bei Schopenhauer, Kopernikus, Opitz, Kant, Kollwitz und Corinth.
Wie gesagt: In unserer Kultur liegt die Kraft, und wenn uns der deutsche Osten am Herzen liegt, dann sollten wir diese Kraft nutzen., denn durch sie wird deutlich, daß der deutsche Osten ein Teil von uns ist. Die Kultur ist nicht zerstörerisch, sie ist nicht feindlich und sie ist nicht trennend. Vielmehr ist sie auch für andere bereichernd, sie verbinden und sie ist eine Mitgift auch für andere, die daran teilhaben. Aber so, wie sich die Situation gegenwärtig darstellt, bleibt ein derartiger Ruf einsam und fast ohne Echo.
Das führt zu einer Schlußfolgerung: Wir haben das Instrumentarium, den deutschen Osten nicht untergehen zu lassen, aber das setzt voraus, daß wir nicht nur unsere Kultur, sondern auch Europa erhalten und nicht einem Multikulturalismus zum Opfer fallen.
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Anmerkungen:
(1) Bei den polnischen Bierut-Dekreten
(erlassen 1945/46) und den tschechischen Beneš-Dekreten (am 28.03.1946 von der
Nationalversammlung gebilligt) handelt es sich um Verordnungen mit
Gesetzeskraft, die im Gegensatz zur europäischen Rechtstradition alle Vergehen
an den Deutschen einschließlich der Tötungsdelikte unter Straffreiheit stellen.
(2) Nach dem asymmetrischen Krieg bewegen
wir uns auf die Zeit des hybriden Kriegsführung zu: Konflikte werden gezielt
verschleiert; dabei wird die Grenze zwischen Krieg und Frieden praktisch
aufgehoben. Der hybride Krieg bewegt sich auf mehreren Ebenen gleichzeitig (also
auch unter Einsatz von Migrationsströmen) weitgehend unterhaln juristisch
kodierter Intensitätsschwedllen.
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