Viersen-Dülken
– Das ursprüngliche, schlichte Kreuz auf dem Dülkener Friedhof ist längst
Vergangenheit. 1951 kamen rund 1.000 Heimkehrer, Vertriebene, Flüchtlinge
und Kriegsgeschädigte zusammen um der Einweihung beizuwohnen.3.000 Vertriebe
waren sechs Jahre nach Kriegsende in Dülken gemeldet.
Für die Errichtung hatten sich Vertriebene aus Ost- und Westpreußen, aus
Danzig, Pommern, Ostbrandenburg, Nieder- und Oberschlesien, dem Sudetenland
und Warthegau eingesetzt. Ein Ort, an dem sie ihren verstorbenen und
vertriebenen Landsleuten gedenken konnten – stellvertretend auch für viele,
die verschollen waren und sind. Auf Initiative der Landsmannschaft
Ostpreußen wurde 1966 das Holzkreuz durch das heutige aus Stahl ersetzt, die
Mitglieder stellen bis heute die Pflege sicher.
Am vergangenen Totensonntag, 70. Jahre nach Aufstellung, folgten mit rund 50
Gästen nicht annähernd so viele Menschen dem Ruf der Landsmannschaft, der
dennoch nicht ungehört blieb.
„Damals noch mit einer gewissen Hoffnung auf Heimkehr in die Heimatprovinzen
östlich von Oder und Neiße und dem Stettiner-Zipfel. Es waren jene Menschen,
die auf Knien nach Hinterpommern, Ostbrandenburg, Schlesien, dem Sudetenland
oder Ost- und Westpreußen heimgekehrt wären“, erinnerte der Vorsitzende der
Landsmannschaft Dülken an die Vergangenheit. „Deshalb hinken auch alle von
der aktuellen Politik gerne gewählten falschen Vergleiche mit der heutigen
andauernden Einwanderung. Wir hatten die gleiche Sprache und Ausbildung.
Vertriebene aus Sachsen gründeten in Viersen die Firma Groschopp und in
Dülken die Maschinenfabrik Johannes Menschner, meine Lehrfirma. Bekannt ist
mir noch immer folgender Spruch: „Kommst du aus dem Osten, gibt es bei
Menschner Posten“! Wir brauchten keine großartige Integration, lediglich ein
Dach über dem Kopf und einen Arbeitsplatz.Neben bekannten Teilnehmern,
darunter Landrat Dr. Andreas Coenen, die stellvertretende Bürgermeisterin
Simone Gartz und Bärbel Wiesensee, Vorsitzende der ostpreußischen
Kreisgemeinschaft Lyck, Nettetals Partnerstadt in Masuren, kam die ehemalige
Kindergeneration der in Ostdeutschland und im Sudetenland Geborenen
zusammen. „Wir sind nur noch wenige Betroffene. Vor zehn Jahren waren es
immerhin noch rund 100 Personen die sich hier versammelten. Es ist ja
abzusehen, bald ist diese unfreiwillige Zeitzeugen-, Erlebnis- und
Opfergeneration gänzlich abgetreten. Für diese damals jungen Menschen wurde
die Geborgenheit im heimatlichen Umfeld, der eigenen Familie, Urgrund des
kindlichen Vertrauens in die Welt, gewaltsam und brutal für immer zerstört“,
so Zauner.
Als 1945 die ersten Ostdeutschen am Niederrhein ankamen, sei das erhoffte
Bleiben der Heimatvertriebenen und der Heimatverbliebenen keineswegs so
endgültig gesichert gewesen. Auch in den Niederlanden gab es damals
Bestrebungen die 1815 festgelegte Reichsgrenze in Richtung Osten zu
verschieben.Teile Niedersachsens und des Niederrheins wären davon betroffen
gewesen.
„Dabei stand auch die Frage im Raum, mit oder ohne die deutschen Bewohner.
Für mich persönlich wäre es dann die dritte Vertreibung innerhalb von drei
Jahren gewesen“, ergänzte Jürgen Zauner. „Vor über 100 Jahren bis in die
heutige Zeit sind Flucht und Vertreibung, ausgelöst durch den Ersten
Weltkrieg in Europa, bittere und ständige Realität geblieben. Unser Elend
hat bis heute keineswegs eine Besserung bewirkt.
In einer gewissen Selbstachtung darf man aber das Recht auf Heimat trotzdem
nicht aufgeben, auch wenn man es nicht bekommt. Und die letzten deutschen
Heimatvertriebenen werden es wohl nicht mehr erhalten. So ist nun leider
einmal die menschenrechtliche Werterealität im Europa der EU im Jahr 2021.
Trifft das Kantzitat nun auch für Viersen zu, tot ist nur, wer vergessen
wird? Dies sollten wir versuchen unbedingt zu verhindern. Denn wie Edmund
Burke richtig erkannte: "Menschen, die nicht auf ihre Vorfahren
zurückblicken, werden auch nicht an ihre Nachwelt denken.“
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