Im Bewußtsein ihrer Verantwortung vor Gott und den Menschen, im Bewußtsein
ihrer Zugehörigkeit zum christlich-abendländischen Kulturkreis, im Bewußtsein
ihres deutschen Volkstums und in der Erkenntnis der gemeinsamen Aufgabe aller
europäischen Völker, haben die erwählten Vertreter von Millionen Heimatvertriebenen
nach reiflicher Überlegung und nach Prüfung ihres Gewissens beschlossen, dem
deutschen Volk und der Weltöffentlichkeit gegenüber eine feierliche Erklärung
abzugeben, die die Pflichten und Rechte festlegt, welche die deutschen Heimatvertriebenen
als ihr Grundgesetz und als unumgängliche Voraussetzung für die Herbeiführung
eines freien und geeinten Europa ansehen.
1. Wir Heimatvertriebenen verzichten auf Rache und Vergeltung. Dieser
Entschluß ist uns ernst und heilig im Gedenken an das unendliche Leid, welches
im besonderen das letzte Jahrzehnt über die Menschheit gebracht hat.
2. Wir werden jedes Beginnen mit allen Kräften unterstützen, das auf
die Schaffung eines geeinten Europas gerichtet ist, in dem die Völker ohne
Furcht und Zwang leben können.
3. Wir werden durch harte, unermüdliche Arbeit teilnehmen am Wiederaufbau
Deutschlands und Europas.
Wir haben unsere Heimat verloren, Heimatlose sind Fremdlinge auf dieser
Erde. Gott hat die Menschen in ihre Heimat hineingestellt. Den Menschen mit
Zwang von seiner Heimat trennen bedeutet ihn im Geiste töten.
Wir haben dieses Schicksal erlitten und erlebt. Daher fühlen wir uns berufen
zu verlangen, daß das Recht auf die Heimat als eines der von Gott geschenkten
Grundrechte der Menschheit anerkannt und verwirklicht wird.
Solange dieses Recht für uns nicht verwirklicht ist, wollen wir aber nicht
zu Untätigkeit verurteilt beiseite stehen, sondern in neuen, geläuterten Formen
verständnisvollen und brüderlichen Zusammenlebens mit allen Gliedern unseres
Volkes schaffen und wirken.
Darum fordern und verlangen wir heute wie gestern:
1. Gleiches Recht als Staatsbürger nicht nur vor dem Gesetz, sondern auch
in der Wirklichkeit des Alltags.
2. Gerechte und sinnvolle Verteilung der Lasten des letzten Krieges auf
das ganze deutsche Volk und eine ehrliche Durchführung dieses Grundgesetzes.
3. Sinnvollen Einbau aller Berufsgruppen der Heimatvertriebenen in das
Leben des deutschen Volkes.
4. Tätige Einschaltung der deutschen Heimatvertriebenen in den Wiederaufbau
Europas.
Die Völker der Welt sollen ihre Mitverantwortung am Schicksal der Heimatvertriebenen
als der vom Leid dieser Zeit am schwersten Betroffenen empfinden.
Die Völker sollen handeln, wie es ihren christlichen Pflichten und ihrem
Gewissen entspricht.
Die Völker müssen erkennen, daß das Schicksal der deutschen Heimatvertriebenen,
wie aller Flüchtlinge, ein Weltproblem ist, dessen Lösung höchste sittliche
Verantwortung und Verpflichtung zu gewaltiger Leistung fordert.
Wir rufen Völker und Menschen auf, die guten Willens sind, Hand anzulegen
ans Werk, damit aus Schuld, Unglück, Leid, Armut und Elend für uns alle der
Weg in eine bessere Zukunft gefunden wird.
Stuttgart, den 5. August 1950