Festveranstaltung in Düsseldorf zum
Jubiläum der Ostpreußen in NRW
Seit 75 Jahren die Interessen der Vertriebenen im Fokus – Der wehmütige Blick
zurück wurde zum mutigen Ausblick nach vorn
von Bärbel Beutner
Jörn
Pekrul, Jörg Geerlings, Bärbel Beutner
Fotos: Eckard Jagalla
(v.l.o.), Marta Einars, Arnold Piklaps, Rasa Miuller (v.l.u.) – alle Referenten
bestachen durch hochwertigste Fachreferate
Die Landsmannschaft Ostpreußen, Landesgruppe NRW beging am Sonnabend, den 19.
Oktober ihr 75-jähriges Bestehen. Gründungsdatum war der 25. April 1949. Die
Feier fand im Gerhart-Hauptmann-Haus (vormals das Haus des deutschen Ostens),
gegründet auf Initiative durch Erich Grimoni, erster Vorsitzender der
Landesgruppe, in Düsseldorf statt.
Am Donnerstag, den 17. Oktober, kamen Arnold Piklaps und Rasa Miuller vom
Simon-Dach-Haus aus Memel an. In der Nacht von Donnerstag auf Freitag traf der
Schülerchor des Hermann-Sudermann-Gymnasiums in Memel mit den Lehrerinnen Asta
Alminé und Marta Einars ein.
Für die Gäste fand am Freitag ein Vorprogramm in Düsseldorf und Solingen statt.
Jörg Geerlings MdL, CDU-Fraktion, führte die Gruppe durch den Landtag und
stellte im Plenarsaal das politische System in Nordrhein-Westfalen vor. Es
entwickelte sich ein reger Meinungsaustausch zwischen dem Referenten und den
Gästen. Die Gedenkstätte auf Schloss Burg wurde anschließend besucht. Der Tag
wurde durch eine Bergische Kaffeetafel abgerundet.
Ostpreußische Spezialitäten
Die Gedenk- und Kulturveranstaltung am 19. Oktober sollte um 13 Uhr beginnen. Um
dies zu schaffen, erfolgte die Vorbereitung bereits ab 9 Uhr. Das anspruchsvolle
Programm verlangte eine funktionierende Technik, der Chor probte, für das
leibliche Wohl wurden Geschirr, Getränke und Gebäck bereitgestellt. Am Eingang
des Saales entstand eine Theke, auf der ostpreußische Spezialitäten angeboten
wurden. Die Besucher konnten Bärenfang, Nikolaschka und Marzipan, aber auch
Bücher und Postkarten sowie alte Fotos erwerben. Das Angebot fand großen
Anklang. Geschickte Hände dekorierten zudem die Bühne und die bereitgestellten
Stehtische mit allerlei an Früchten, Nüssen, Kürbissen und Äpfeln – ein
wahrhaftiger Erntedank.
Das Programm eröffnete die Gruppe „Geigenleut“ unter Leitung von Winfried S.
Küttner mit einem musikalischen Schritt ins Memelland. Der Vorsitzende der LO
NRW, Klaus-Arno Lemke, begrüßte die Anwesenden zu einem Fest, das nicht nur „zum
Jubeln“ einlud. Auch in ein „Jubiläum“ dringt der Schmerz über den Heimatverlust
vor nunmehr 80 Jahren. Andererseits habe die Landesgruppe NRW seit 75 Jahren
unermüdlich für die Belange der Vertriebenen, für das heimatliche Erbe, für die
grenzüberschreitende Kulturarbeit, für Versöhnung und Freundschaft mit den
heutigen Bewohnern und damit für Frieden in Europa gearbeitet. Somit sei ein
solcher Tag eben ein Grund zu einer festlichen Veranstaltung.
Hoffnung in dunklen Zeiten
Gedankt wurde für die übermittelten Grußworte von Heiko Hendriks, Beauftragter
für die Belange von deutschen Heimatvertriebenen, Aussiedlern und
Spätaussiedlern des Landes NRW, Jochen Ott, Fraktionsvorsitzender der SPD im
Landtag, Jörg Geerlings für die CDU-Fraktion, Rudi Pawelka, Vorsitzender des BdV
Landesverbandes NRW. Vorgetragen wurde das Grußwort des Sprechers der
Landsmannschaft Ostpreußen, Stephan Grigat. Hierin erinnerte der Sprecher: Als
die Landesgruppe NRW im April 1949 gegründet wurde, gab es die Bundesrepublik
Deutschland noch nicht.
Das Kantjahr 2024 soll auch in NRW gebührend begangen werden, betonte der
Vorsitzende und begrüßte den Referenten Jörn Prekul aus Berlin, der einen
zweiteiligen Vortrag über den Philosophen Immanuel Kant (1724–1804) halten
sollte. Mit einigen Kant-Zitaten stimmte Lemke das Publikum darauf ein und
versprach, dass die Landsleute in NRW weiterhin ihre Pflicht für die Heimat und
für den Frieden wahrnehmen werden.
Winfrid S. Küttner, Musiker und Pastor, hielt eine bewegende Andacht, in der er
an das Leid der deutschen Flüchtlinge und Vertriebenen erinnerte, welches sich
leider in der heutigen Welt wiederholt. Er nannte zugleich Beispiele der
Hoffnung und des Lebenswillens. Alles kleine Wunder, die es auch in schlimmsten
Zeiten immer wieder gibt. An die Andacht schloss sich die Totenehrung an. Hier
wurde, stellvertretend für alle Heimgerufenen, an den im Januar verstorbenen
Ehrenvorsitzenden Ehrenfried Mathiak gedacht. Das bewegende Musikstück „Der
Traum“ wurde gleichsam zur Brücke zum zweiteiligen Vortrag von Pekrul
„Königsberg und Kant – bis heute gemeinsam für die Aufklärung“.
Mit Kant auf Streifzug
Als „Doppelbiographie“ war der Vortrag im Programm angekündigt – „doppelt“
insofern, als die Geschichte der Stadt Königsberg vorgestellt wurde und der
Philosoph Kant, der mit seiner Vaterstadt „eine Einheit“ bilden würde wie selten
jemand anderes in der Geschichte.
Mit reichem Bildmaterial nahm Pekrul seine Zuschauer mit auf die Reise nach
Königsberg. Da ging es zunächst in die Ordenszeit, dann trat Markgraf Albrecht
von Brandenburg-Ansbach auf (1490–1568), der letzte Hochmeister des Ordens, der
das Ordensland in ein weltliches Herzogtum umwandelte und die Reformation
einführte. Unter Herzog Albrecht entstand ein geistiges und kulturelles Zentrum
am Pregel. Ein erster Höhepunkt war schließlich die Gründung der Universität im
Jahr 1544.
Pekrul ging auf die Frühaufklärung ein und hob – sozusagen als „Laune der
Geschichte“ – hervor, dass die drei Teilstädte Altstadt, Kneiphof und Löbenicht
im Geburtsjahr Kants 1724 unter eine gemeinsame Verwaltung gestellt wurden.
Königsberg sollte zum Zentrum der Aufklärung werden.
Im zweiten Teil des Vortrags folgte das Publikum den Wegen Kants durch seine
Vaterstadt. Dabei schilderte der Referent das Leben des Philosophen, seine
Herkunft, seine akademische Laufbahn, seine verschiedenen Fachbereiche, seine
Genialität und ebenso seine Eigenarten. Der überaus lebendige Vortrag mit
Gedichteinlagen und Anekdoten „zauberte“ Kant und das Königsberg des 18.
Jahrhunderts geradezu nach Düsseldorf. Der Schritt ins Heute, die Aktualität
Kants angesichts der modernen Medien, wie KI, sorgte für viel Gesprächsstoff bei
den überaus begeisterten Zuhörern.
Emotionales Liedgut
Die Musik prägte den weiteren Verlauf des Programms. Die Freude über die jungen
Gesichter und Stimmen des Schülerchores aus Memel sah man dem Publikum an. Die
Lieder „Zogen einst fünf wilde Schwäne“ und „Ännchen von Tharau“ bewegten die
Seelen. Rasa Miuller stellte Simon Dach, den Dichter des „Ännchen“ vor, der dem
Haus des Deutschen Vereins in Memel und dem Brunnen am Theaterplatz den Namen
gegeben hat. Ein sehr informativer Vortrag, zu dem eine kleine Ausstellung
mitgebracht worden war. Als Arnold Piklaps über die Geschichte und die
Aktivitäten des Deutschen Vereins berichtete, gab es ebenso nachdenkliche wie
erfreute Gesichter. Die ostpreußische Kultur erreicht im Osten selbst eine
breite Öffentlichkeit und wird hochgeschätzt.
Der Chor sang „Sag mir, wo die Blumen sind“ und „Über sieben Brücken musst du
gehen“ – Lieder, die zu dem Beitrag von Marta Einars passten, die an der
Geschichte ihres Vaters das Schicksal der Wolfskinder in Litauen schilderte.
Doch Hoffnung, Freude und Gottvertrauen, das alles überwog bei dem vielfältigen
Repertoire. Das fröhliche „Veronika, der Lenz ist da“ wischte einige Tränen über
die Wolfskinder fort. Ja, der Lenz kommt immer wieder.
Das Ostpreußenlied bildete den Abschluss der Feier. Asta Almine, die Leiterin
des Schülerchores, begleitete am Flügel einen kräftigen, erhebenden Gesang.
Delegierten- und
Frühjahrstagung der Landesgruppe NRW vom 23. März
von Bärbel Beutner
Oberhausen – Wie gewohnt, fand die Delegierten- und
Frühjahrstagung der Landesgruppe NRW am 23. März in Oberhausen in dem
vertrauten „Haus Union“ statt. Die Landsleute freuten sich, dass der
PAZ-Redakteur Hans Heckel als Referent gewonnen werden konnte, und man
hoffte auf lebhafte Diskussionen. Der Tag war jedoch mit einem
arbeitsreichen Programm gefüllt, denn es standen Neuwahlen des Vorstandes
an. Regularien, Berichte und Arbeitsgespräche füllten den Vormittag aus.
Alfred Nehrenheim, langjähriges Vorstandsmitglied der LO NRW, übernahm die
Wahlleitung. Zum Vorsitzenden wurde Klaus-Arno Lemke gewählt. Die
Stellvertreter sind Dr. Bärbel Beutner und Joachim Mross. Herr Klaus-Arno
Lemke erklärte sich bereit, für das Amt des Schatzmeisters wieder zu
kandidieren, und wurde mit großer Mehrheit gewählt. Er wird von der
Geschäftsführerin Margitta Romagno unterstützt werden. Für das Amt der
Schriftführerin stand nur Dr. Bärbel Beutner zur Verfügung und wurde mit
Mehrheit gewählt. Auch dabei wird der Vorstand einen Weg zu verstärkter
Teamarbeit angehen. Sieben Beisitzer und Beisitzerinnen wurden gewählt:
Jochen Zauner (Fachreferent), Eckard Jagalla (Webmaster), Peter Harder
(Jugendarbeit), Gerhard Scheer (Bezirksreferent Bielefeld/Detmold-Lippe),
Margitta Romagno (Bezirksreferentin Düsseldorf), Gerda Wornowski
(Bezirksreferentin Köln/Aachen) und Elke Ruhnke für allgemeine Beratung. Die
Wahlperiode des Vorstandes umfasst zwei Jahre. Der Vortrag von Hans Heckel
wurde in der Einladung schlicht unter der Überschrift „Aktuelles aus Politik
und Gesellschaft“ angekündigt. Der Referent wies aber gleich zu Beginn
darauf hin, dass es für ihn schwierig sei, bei den momentanen rasanten
Ereignissen und Veränderungen einen Schwerpunkt zu finden. „Die Geschichte
macht keine Pause, und heute schon gar nicht!“, stellte er fest. Es sei eine
Umbruchperiode wie zu Beginn der 1990er Jahre. Er habe sich schließlich dazu
entschieden, die deutsche Innenpolitik genauer zu besprechen. Dazu entwarf
er allerdings ein düsteres Bild, indem er bei der Regierung die Absicht
wahrnahm, das Land „in Grund und Boden zu regieren“. Die Regierenden würden
einen Machtverlust befürchten und daher immer stärkere Mittel einsetzen, um
gegen den Willen des Volkes ihre Interessen durchzudrücken. Bei einer
Umordnung müssten sie um ihre Existenz und die finanziellen Zuwendungen
fürchten und setzen daher Methoden ein, die auf eine offene Ausschaltung der
Demokratie hinauslaufen. Den Weg der „Grünen“ zeichnete Heckel nach von der
Anti-Atom-Bewegung über die Friedensbewegung bis hin zur „Anti-Deutschland“-Politik
heute. Die Partei habe ihre Ziele erreicht: Ausstieg aus der Atomenergie,
Abbau der Bundeswehr, Durchlässigkeit der Grenzen. Die Union sei mit ihrer
Gegenwehr gescheitert. Wie war das möglich? Der Referent erklärte das
weitgehend mit der „Verschmelzung“ der Positionen. Die Parteien würden sich
kaum noch voneinander unterscheiden. Inzwischen hätten die „Grünen“ jedoch
ihre weltanschauliche Führungsrolle verloren, ebenso auffallend die
Sympathie im Volk. Die Reaktion darauf sei eine Kontrollsteigerung des
Bürgers bis hin zur Überwachung. Was angeblich zum „Schutz des Bürgers“
unternommen würde, sei eigentlich ein Schutz der Organisationen und des
Systems vor dem Bürger und vor der Freiheit der Demokratie. Der Referent
scheute sich nicht, die Begriffe „Schutzhaft“ (Drittes Reich) und
„Gedankenpolizei“ (1984) ins Spiel zu bringen. Der „Schutz der Demokratie“
werde dann zu einem totalitären Verbot. Gefährlich sei dabei auch die
schwammige Sprache, die zu einer subjektiven Einschätzung von Schuld und
Vergehen führt.Die Demokratie könne nur überleben, betonte Heckel, wenn ein
demokratisches Volk sich für sie einsetzt. Institutionen, selbst die Kirchen
halten sich zurück aus Sorge um ihre Existenz. Hier hörten die Landsleute
aus den Worten des Referenten den Philosophen Immanuel Kant (1724-1804),
dessen 300. Geburtstag im April auf der ganzen Welt gefeiert wird. Der
mündige Mensch ist gefordert, der sich seines eigenen Verstandes bedient und
nach dem Moralgesetz handelt, das seine Vernunft ihm zeigt. Nur darin liegt
letztlich die Lösung auch unserer Probleme. Eine harte Arbeitstagung, in der
nur einige erheiternde Beiträge über Geschichten aus Suleyken von Siegfried
Lenz die Atmosphäre auflockerten, wurde mit dem Ostpreußenlied beendet.
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14.11.2024 |
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